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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig
Autoren: zu KLAMPEN
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erinnerte sich an das ehemalige Wunderkind. Er war in den Räumen der Redaktion aufgewachsen,
     hatte mit vier Jahren geschrieben und mit sieben Artikel von Redakteuren redigiert, die der Chefredakteur demütigen wollte.
     Die meisten Artikel waren besser, nachdem sie die Zensur des altklugen Bengels durchlaufen hatten. Als Oberschüler und später
     im Internat hatte der Junge durch Drogenexzesse von sich reden gemacht. Bei einer Teenieband hatte er die Keyboards gespielt
     und seine vier Platinplatten im Internet versetzt, um seine Sucht zu finanzieren. Sein Vater hatte ihn auf einer menschenleeren
     schottischen Insel interniert. Fünf ehemalige Fremdenlegionäre und eine Ärztin hielten den rasenden Knaben während des Entzugs
     unter Kontrolle. Eine Schute, mit der ihn alte Freunde befreien wollten, hatten sie versenkt. Die Verfilmung der Geschichte
     war für den Auslands-Oscar nominiert worden.

3
    Die Spurensicherer baten zur Audienz, die Kommissarin tat ihnen schön, was ihr nicht leichter fiel, als sie sich ihrer speziellen
     Freundin gegenübersah. Wie den Planeten seine Atmosphäre umgab Eva von Hohenhorst eine Aura von |15| Hochnäsigkeit, die man sich nicht antrainieren konnte. Es bedurfte eines Hintergrunds von 400 Jahren blaublütiger Geschichte,
     um so aufzutreten.
    Mit den Worten »Ein seltsamer Fall« eröffnete Eva die Kampfhandlungen. »Aber ich weiß ja, dass ihr Futter braucht.«
    Klaglos steckte die Kommissarin die Beleidigung weg. Tiere fraßen Futter, der burschikos-kollegiale Ton war die Deckung, hinter
     der der Adel seine letzten Schlachten schlug.
    Bordon war an einem Messerstich gestorben, Durchtrennung der wichtigsten Adern mit dem unvermeidbaren Blutverlust. Ein harter
     Gegenstand war auch im Spiel gewesen, mit dem Kopf und Brustkorb des Opfers attackiert worden waren. In der Hütte hatte sich
     nichts gefunden, was dafür in Frage gekommen wäre. Schauplatz der Auseinandersetzung war das Innere der Hütte gewesen, Bordon
     wies Verteidigungsmale an Händen und Armen auf. Den Ablauf konnte man sich folgendermaßen vorstellen: Kampf, Bewusstlosigkeit,
     Verbringen ins Bett, Verbluten. Zeitpunkt des Todes: 21 bis 22 Uhr. Die Hebamme hatte den Leichnam zwei Stunden später entdeckt.
    »Kommen wir zur Fraktion Zukunft.«
    Baby Bordon war gestern Abend auf die Welt gekommen. Dass Irena die Mutter war, kleidete Eva nicht eigens in einen Satz. Die
     Geburt hatte in dem Bett stattgefunden. Die Gestalt, die sich in der Hütte versteckt hatte, war eine Person unbekannter Identität
     gewesen, wahrscheinlich ein Mann. Dass er eingebrochen war, ließ sich nicht belegen. Die Haustür war nicht abschließbar, am
     Haus hatten sich nirgends Einbruchspuren gefunden.
    |16| »Wir wissen gar nichts«, resümierte die Kommissarin.
    Küchenmeister stand bei ihnen, kauend, optimistisch, frech. Auf ihm ruhten Evas Augen mit Wohlgefallen. Er war ein Bürger
     und wollte nichts anderes sein.
    Mit seiner Meinung hielt er nicht hinter dem Berg: »Ich sag mal: Sie ist schwanger, das Kind kommt, aber er ist nicht der
     Vater. Am Tag der Geburt erzählt sie es ihm oder er bekommt es heraus. Oder der Vater taucht auf und fordert sein Recht ein.
     Womit bewiesen wäre, dass er kein Deutscher ist. Kein deutscher Vater könnte glauben, dass er Rechte besitzt. Sie bringt ihr
     Kind zur Welt, beide Männer helfen oder stören wenigstens nicht. Danach tragen sie die Sache aus. Der biologische Vater gewinnt,
     er bringt die Mutter in sein Auto, will noch das Kind holen, da erscheint die Hebamme. Er rennt sie über den Haufen und verschwindet.«
    Aber die Hebamme war ins Haus gekommen, weil sie einen Anruf erhalten hatte. Eine Frauenstimme. Irena, zu einem Zeitpunkt,
     als an den zweiten Mann noch nicht zu denken war? Der Anruf war gegen 21 Uhr eingegangen, die Hebamme war bei einer anderen
     Schwangeren gewesen. Danach war sie ohne Umwege zur Hütte gefahren.
    Gemeinsam trat man an die Haustür, das Schloss war ein Witz. Wachtmeister Graf bestätigte, dass diese Arglosigkeit nicht mehr
     die Regel war. Aber vor 20 Jahren habe man seine Türen nicht abgeschlossen, und das habe nicht nur an den Hunden gelegen,
     die es in jedem Haus gab und in den besseren Häusern erst recht.
    »Das hat sich nicht verloren«, berichtete er. »Ich kenne eine Frau, die öffnet morgens nach dem Aufstehen als Erstes die Haustür.
     Sie sagt, sonst kriegt sie keine Luft. Die Tür ist den |17| ganzen Tag offen. Einmal ist sie beklaut worden,
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