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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig
Autoren: zu KLAMPEN
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waren die Behäbigen erneut neidisch geworden,
     als sich die Energischsten Richtung Osten aufmachten, um im eingemeindeten deutschen Zweitstaat ihr Glück zu suchen.
    So war Hammerloh von allen Seiten zerrieben worden. Als bei den Kommunalpolitikern die Alarmglocken schrillten, waren schon
     so viele Menschen und Moneten abgeflossen, dass der Ort keine innere Kraft mehr besaß. Zuletzt waren die besser Ausgebildeten,
     die Frauen und die Jungen abgewandert. Übrig geblieben waren die Desillusionierten und Alten.
    Neubürger kamen aus zwei Himmelsrichtungen: aus dem Osten und aus dem Wolkenkuckucksheim. Aus Kroatien die Janovics. Fleißig,
     höflich, rücksichtsvoll, sie taten alles, um sich bei den Altbürgern unbeliebt zu machen, denn wer sich so benahm, musste
     ja etwas im Schilde führen. Die Kinder waren wohlerzogen und kamen in der Schule gut mit, der Vater hatte zwei Jobs, die Mutter
     auch. Nach zwei Jahren bezogen sie ihr eigenes Haus.
    Vor einem Jahr tauchten die Bordons auf, Stjepan hieß bei allen nur Bordon. Irena, seine Frau, nannten alle Irena und sie
     verlangte das auch. Man hielt sie für Rumänen. Sie widersprachen nicht, damit war die Sache besiegelt. Vor fast |12| zwei Jahren waren sie hergekommen. Er sprach schlechtes Deutsch, lernte wenig dazu und das Wenige langsam. Irena sprach schon
     besser, als sie ankamen und verriet allen ihr Geheimnis: Jeden Tag zehn neue Wörter und an keinem Tag mehr als ein Wort vergessen.
    Irena war fixer, freundlicher, heller. Er war der Bollerkopf, dumpf und brütend, kräftig und keineswegs faul, aber diese Männer
     sprachen nicht und wenn sie es mussten, fühlten sie sich nicht wohl. Die Frau fand sich im Alltag zurecht und besaß eine Fähigkeit,
     die kein deutscher Mann besaß: Sie bat um Hilfe, wenn sie Hilfe brauchte. Dann flitzten die deutschen Männer und bohrten,
     gruben, schreinerten, schlachteten. Sie liebten es, von einer Frau gebeten zu werden. Sie machten sich nützlich, schweigend
     natürlich und dachten darüber nach, wie es im Kopf eines Menschen aussehen mochte, der mehr als eine Sprache beherrschte.
    »Und was ist mit Wolkenkuckucksheim?«
    Der junge Polizist starrte die Kommissarin an, als habe sie nicht alle Tassen im Schrank. Der Kerl regte sie auf. Er sollte
     sich in Acht nehmen. Seine Jugend schützte ihn vor mancherlei, aber nicht bis zum Ende aller Tage. Nicht einmal bis zum Ende
     dieses Tages.
    »Sie haben vorhin gesagt, die Auswärtigen seien aus zwei Richtungen gekommen: aus dem Osten und aus dem Wolkenkuckucksheim.«
    »Das soll ich gesagt haben?«
    »Übertreiben Sie es nicht.«
    Er blätterte, was er damit gemeint haben konnte.
    »Ach ja«, sagte er dann, »die WG. Natürlich.«
    »Eine WG also. Studenten?«
    |13| »Nee.«
    »Behinderte? Eine therapeutische Wohngemeinschaft?«
    »Nee.«
    »Leben Ihre Eltern noch? Marvin mit v?«
    »Beide. Aber nicht hier, sondern woanders. Im Süden. Mehr im Westen.«
    »Es gibt Kontakt?«
    »Natürlich.«
    »Ihre Eltern haben also starke Nerven. Und Humor.«
    Küchenmeister sprang heran, er hatte einem Hiesigen Kuchen abgeschwatzt. Das war ungehörig, aber der Kommissar hatte einem
     Verdächtigen auch schon mal einen Gebrauchtwagen abgekauft und einem Hauptschüler im Verlauf einer Zeugenbefragung Mogeltipps
     verraten, die den Jungen später in Teufels Küche gebracht hatten.
    »Sie raten nie, wer den Kuchen gebacken hat.«
    Die Kommissarin musterte ihren besten Mann. Der Form halber riet sie zweimal halbherzig, um sich dann informieren zu lassen,
     dass Dora Messer, Miss Germany 1983 und zeitweilige Geliebte von nicht weniger als acht Oscar-Gewinnern, sechs männlichen
     und zwei weiblichen, mit der Kraft ihrer immer noch ansehnlichen Arme den Teig geknetet hatte. Das war mehrfach gelogen. Weder
     hatte er die Frau bisher gesehen, noch wusste er, ob sie nicht einen Mixer benutzt hatte. Letztlich stand nur fest, dass der
     Kuchen aus dem ehemaligen Gasthof stammte. Das große Gebäude mit Nebengebäuden und Werkstätten wurde von fünf Personen bewohnt,
     die alles hatten, was man nicht mit WG assoziierte. Kein Bewohner war jünger als 45, zwei waren prominent und alle besaßen
     angeblich dermaßen ungewöhnliche Lebensläufe, |14| dass Küchenmeister sich hechelnd bereit erklärte, die Befragung der WG zu übernehmen.
    Beim zweiten Prominenten handelte es sich um den früheren Chefredakteur eines Hamburger Nachrichtenmagazins. Bei ihm lebte
     sein Sohn, 20 Jahre alt. Die Kommissarin
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