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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot
Autoren: Piers Anthony
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alle Kabel und Bremsen auf einmal versagen. Hinab, hinab in freiem Fall. „Genau so bin ich in den Abgrund gefallen“, sagte Therion von irgendwoher im Rückblick auf seinen gerade erfolgten Geschlechtsakt, seine einzigartige mutige Handlung.
    In der Gemeinde begann ein Gerangel. Aber Bruder Paul, Carolyn und Lee standen aufrecht. Therion befreite sich von Amaranths Beinen, und sie rappelte sich wieder hoch, schwamm im wahrsten Sinne des Wortes von der blutbefleckten Altarmatratze herunter. Bruder Paul versuchte wieder, den Blick von ihr abzuwenden, ebenso wie von Therions nun schlaff herabhängendem Schwanz, doch es gelang ihm kaum. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie habe ihn verraten, wenn sie es auch weder herbeigeführt noch sich an dem, was geschehen war, aktiv beteiligt hatte. Aber er war natürlich teilweise dafür verantwortlich, denn er hatte sich geweigert, das Baby zu opfern, und so Therions alternative Prozedur herbeigezwungen. Anstelle von Carolyn war also Amaranth geopfert worden – und hier lag der Schlüssel zu seinen tiefsten Gefühlen. Jetzt blickte er auf die nackte Frau, den Arm um das Kind gelegt, und konnte seine Entscheidung nicht mehr in Frage stellen. Er liebte die Tochter mehr!
    Luft fuhr schneidend an der herabfliegenden Plattform vorbei. Luft – ein weiteres Merkmal des Satans. Die vermischten Dünste fuhren nach oben, und bunte Farben schienen sich wie Schlangen zu winden. Das Pentakel bewegte sich nun so rasch, daß der Wind richtig pfiff. Sonderbare Wesen mit Fangzähnen und Flügeln zogen vorbei, spähten für einen Augenblick in den Fünfzack wie in einen Futternapf. Doch nach dem ersten markerschütternden Schock des Falls kehrte das Gleichgewicht zurück, und die Plattform schien stillzustehen. In verängstigten Grüppchen stand die Gemeinde da, einige nackt, andere in Lumpen, und harrte der kommenden Dinge. Die herannahende Animation der Hölle war offensichtlich mehr, als diese Leute ertragen konnten.
    Auch bei diesem schreckerregenden Abstieg merkte Bruder Paul, wie er über die technischen Aspekte der Produktion nachdachte. In Animationen konnten Dinge anders als in der Wirklichkeit erscheinen und Zauberbilder zu Realität werden – aber das war eine Frage der Wahrnehmung. Die eigentlichen Gedanken wurden nicht betroffen. Wie konnte man also das Gefühl von Fallen und heftiger Bewegung erzeugen? Doch die Antwort kam ihm schon bei der innerlichen Fragestellung in den Sinn: Es gab viel mehr Sinne als die sprichwörtlichen fünf, und die Perzeption von Gleichgewicht, Bewegung und Muskeln war Teil der Animation. Die intensivsten Animationen deckten alle Sinne ab; es gab keinen anderen Weg mehr als reine Vernunft und die Erinnerung, um jeden Teil der objektiven Situation zu erkennen. Und selbst die Erinnerung wurde, wie er aus lebhaften Rückblenden wußte, in der Animation zum Subjektiven.
    Der Großteil dessen, was die individuelle Wahrnehmung ausmachte, wurde also durch den Animationseffekt kontrolliert. Vielleicht vierzig Prozent von Bruder Pauls Fähigkeiten bestätigten, daß die Realität den Besuch des Novizen eines kleinen Ordens auf einem Kolonieplaneten darstellte, dessen Ziel es war, herauszufinden, welche Gottheit die Animationen hervorrief. Sechzig Prozent von ihm sagten ihm, daß sie zur Hölle fuhren.
    „Wir fahren in die Hölle“, sagte er leise, und dieses Mal lachte er nicht.
    Mit einer ruckartigen Bewegung, bei der die Menschen umfielen, veränderte die Plattform die Richtung. Bruder Paul stolperte und versuchte, Carolyn festzuhalten. Lee streckte die Hand aus, fing sie am Arm, hielt sie und dadurch auch Bruder Paul aufrecht. „Danke“, keuchte Bruder Paul.
    „Du hast mich gefestigt“, sagte Lee. „Du hast mir die Irrtümer in meiner Philosophie gezeigt und mich in Einklang mit Jesus Christus gebracht.“ Nun war Lee ein Hort der Stärke, fähig, selbst der Hölle mit Gleichmütigkeit entgegenzutreten, weil seine Seele rein war.
    „Aber was ist mit mir?“ fragte Bruder Paul sich. „Meine Seele ist ein Schlangennest, das ich schon sicher vergraben wähnte. Und jetzt werden die Vipern freigelassen!“
    Die Plattform glitt nun zur Seite. Die Gemeinde suchte sich Plätze in den Bänken und hielt sich aneinander fest. Therion klammerte sich an den Altar, der in der Nähe der obersten Spitze des Fünfzacks stand. „Hierher!“ rief er. „Wollt ihr herabgestoßen werden?“
    Lee betrachtete die vorbeischießenden Farben am Rand. Die Nebel wurden dünner
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