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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot
Autoren: Piers Anthony
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in seinem Charakter eröffnete sich immer wieder ein neuer Zug, der ihn schlimmer erscheinen ließ als zuvor. Das Opfer – konnte das ein Verstand ausgedacht haben, der nicht durch und durch verderbt war? Einen Mann zu verführen, seiner Tochterfigur die Kehle aufzuschlitzen! „Es soll einen zum Fürchten bringen – aber es ist nicht wirklich“, sagte er.
    „Aber es sieht so echt aus“, gab sie zurück und wurde ruhiger.
    Das Ungeheuer griff mit zwei schrecklichen Armen hinab und schnappte sich zwei Menschen. Sie schrien – und Carolyn schrie ebenfalls. Bruder Paul wollte auf sie zuspringen, doch Lee und Therion hielten ihn zurück. Eine seltsame Situation, wenn diese entgegengesetzten Charaktere im Einklang handelten! „Sie sind schon verdammt“, sagte Lee. „Niemand kann ihnen helfen und auch nicht ihr Verschwinden aus diesem Bezugsrahmen beeinflussen.“
    Das Ungeheuer zog die Opfer auf das offenstehende Maul zu. Carolyn bedeckte sich die Augen. Therion lachte. Doch ehe das Ungeheuer seine Beute verzehrte, verschwand es. Nur die schwächer werdenden Schreie der beiden Opfer blieben in der Ferne hörbar.
    Die verbliebenen Gemeindemitglieder, einst so begierig, den Satan herbeizurufen, kauerten sich nun auf ihren Plätzen zusammen. Die nächste Erscheinung war ein riesiger Tintenfisch mit einem grausamen, gebogenen Schnabel, der sich fröhlich mit den acht Fangarmen acht weitere Personen griff und sie schreiend und zappelnd ins Dunkle schleppte.
    „Mach dir keine Sorgen“, meinte Therion leichthin. „Alle, die den heiligen Altar berühren, sind vor tierischen Belästigungen sicher.“
    Weil man für sie ein schlimmeres Schicksal bereithielt? Bruder Pauls böse Vorahnungen wurden stärker.
    Amaranth blickte auf. „Ich wurde nicht gerettet!“ rief sie. „Ich lag direkt auf dem Altar, als …“ Aber sie beendete den Satz nicht.
    Die anderen versteckten sich unter den Bänken. Es gab einen tödlichen Kampf um die besten Plätze, und zwei Menschen wurden mit den schon bekannten Schreien vom Rand gestoßen, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Abrupt brachen die Schreie ab. Was lag nur da unten?
    Dann erschienen in einer Reihe an den Seiten Lichter wie bei einem unterirdischen Tunnel, ein jedes wie ein leuchtendes Auge. Wenn sich diese Bilder aus dem Unbewußten bildeten, dann besaß dieses Gehirn aber wenig originelle Schöpfer. Bislang schien Therion in dieser Animation die dominierende Gestalt gewesen zu sein. Die Hölle war sein Bereich; es konnte daher so unoriginell sein wie er nur wollte.
    Ihr Gefährt wurde schneller. Die Lichter verschwammen. Dann bogen sich die Schienen zu einer Kurve. Sie wurden nach rechts geschleudert, und der Weg verwandelte sich in eine immer enger werdende Spirale. Hinab, hinab in eine schwindelnde Spirale, enger und enger – und nun drehte sich die Plattform wie ein Gyroskop und fügte zu dem allgemeinen Aufruhr auch noch Schwindelgefühle hinzu. Sie klammerten sich an den Altar um des nackten Lebens willen. Aber was lag ihnen nun noch daran? Die Finger glitten ab von dem schleimbedeckten Stein.
    Die Markierungslichter zogen sich trichterförmig in eine Öffnung hinein, die für den Rest der Plattform zu klein war. Die Spitzen stießen gegen Vorsprünge und splitterten ab. Wieder hörte man die verzweifelten Schreie der Gemeinde, als die Menschen aus der Spirale heraus ins Dunkle geschleudert wurden, unter die Räder des Gefährts, um dort in Fetzen gerissen zu werden. Arm- und Beinteile wirbelten durch die Luft, prallten von der Plattform wieder ab und glitten zurück in die Finsternis. Ein abgerissener Kopf blickte sie für einen Moment lang an, rollte dann weiter und hinterließ eine Blutspur. „Sie haben niemals auf ihre Seelen achtgegeben“, bemerkte Therion ohne Mitleid. „Sie waren nicht darauf vorbereitet, ihren Herrn und Meister zu treffen.“
    „Sind wir denn darauf vorbereitet?“ fragte Bruder Paul und hielt unnützerweise Carolyn die Hände vor die Augen, um das Schlimmste vor ihr zu verbergen. „Ihren Herrn zu treffen – oder unseren?“ Er wußte, daß die Gemeinde eher aus Phantasien als wirklichen Menschen bestand, Überflüssigem, das fortgeworfen wurde. Daher hatten sie ihn bei dem Angriff nicht berühren können; sie stellten lediglich einen Teil der Szenerie dar. Der Kern von fünf Menschen stand hier um den Altar herum. Warum hatte er das Carolyn nicht so erklärt?
    Die Plattform wurde nun zum Pentagon – fünf Seiten, keine Spitzen
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