Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen
Autoren: Pamela Freeman
Vom Netzwerk:
frei, in der Wildnis zu jagen, doch es war ihnen untersagt, Menschen auf besiedeltem Land anzugreifen, es sei denn, ein Mensch verriet einen der seinen an die Geister, wie es zuweilen vorkam. Doch dem Abkommen als solchem tat dies keinen Abbruch. Ohne diese Übereinkunft hätten die Windgeister sich überall in den Domänen an Körper und Seele gütlich getan, und niemand hätte sie aufhalten können. Ohne die Übereinkunft wäre jeder Wasserlauf voll Wassergeister gewesen, jeder Wind ein Träger des Todes, jeder Schritt in einen Wald ein Schritt in das Unheil …
    Leof war sich nicht sicher, ob das Abkommen noch Bestand hatte. Die Vorstellung, es könnte unwiderruflich gebrochen worden sein, war erschreckend. Doch die Windgeister schwebten nun hinter ihm und brüllten enttäuscht auf, während von ihren Klauen Blut herabtropfte. Arrow war nicht mehr zu halten. Sie stürmte den anderen Pferden hinterher, vom Herdentrieb überwältigt.
    Leof ließ sie alle ein halbe Meile galoppieren, bevor er sie wieder zusammenrief. Die Flanken der Pferde waren mit schäumendem Schweiß überzogen, und ihre Augen waren nach wie vor stark geweitet. Bevor sie die Verfolgung des Zauberers abermals aufnehmen konnten, musste er ihnen
eine Ruhepause gönnen und sie trinken lassen. Was immer diese Verfolgung auch bringen mochte, dachte er.
    Der Fluss floss hier dicht neben der Straße, und Hodge ließ die Pferde einige Minuten lang im Schritt gehen, damit sie verschnaufen konnten. Dann tränkte er sie, nach wie vor zitternd.
    »Horst, komm her«, ordnete Leof an.
    Er nahm Horst beiseite. Der Mann mied seinen Blick. Wie Hodge zitterte auch er, doch Leof vermutete, dass es genauso aus Scham war wie als Folge der Angst.
    »Du hast meine Anweisung nicht befolgt, Horst.« Bewusst hielt Leof seine Stimme gesenkt.
    »Es tut mir leid, mein Lord! Bitte … bitte erzählt es nicht meinem Lord Thegan.«
    Leof dachte darüber nach. Konnte er es diesem Mann verübeln, beim Anblick dieser tödlichen Klauen und Zähne in Panik verfallen zu sein? Ein menschlicher Feind war eine Sache, aber ein Widersacher, der die Seele seines Gegners verschlingen konnte, eine ganz andere. Thegan dagegen würde ihm die Schuld anlasten und ihn bestrafen. Und Horst war Thegans Mann. Er verehrte seinen Herrn. Schon ein strenges Wort von Thegan reichte aus, um bei ihm Seelenqualen zu verursachen – echte Bestrafung, echte Schande würde unerträglich sein.
    Wenn sie eine Chance gegen diesen Zauberer haben wollten, brauchten sie jeden Bogenschützen, den sie bekommen konnten, und Horst war der beste, den sie hatten.
    »Es wird noch einmal eine Zeit kommen«, sagte Leof langsam, »in der wir den Zauberer womöglich wieder stellen können, mit seinen Windgeistern, und nur ein Bogenschütze kann uns retten.«
    »Es wird nicht noch einmal vorkommen, mein Lord. Das schwöre ich. Ich schwöre es.«

    Hier war noch etwas im Spiel, etwas, das Horst nicht aussprach, etwas, das die Panik erklärte. Leof sprach eine Vermutung aus. »Du hast schon einmal mit Windgeistern zu tun gehabt, nicht wahr?«
    Horst wirkte überrascht. »Jawohl, mein Lord«, murmelte er. »Sie hätten mich beinahe umgebracht.«
    »Und nun hast du ihnen erneut gegenübergestanden. Sag mir ehrlich, Horst, wenn ich dich ihnen noch einmal entgegenstellen müsste, würdest du stark genug sein?«
    Horst starrte eine ganze Weile zu Boden. Dann sah er auf und begegnete bewusst Leofs Blick, was ein Soldat bei einem Offizier nur selten tat. »Ich könnte es«, antwortete er mit fester Stimme.
    »Dann muss Lord Thegan, so denke ich, nicht mehr erfahren, als dass die Windgeister unseren Angriff abgewehrt haben.«
    Erleichterung überflutete Horsts Gesicht. »Danke, mein Lord.«
    »Enttäusche uns nicht, Horst.«
    »Eher sterbe ich«, versprach Horst.
    Leof klopfte ihm auf die Schulter. »Mir wäre es lieber, wenn es dazu nicht käme. Wir brauchen dich.«
    Sie stiegen in die Sättel und machten sich erneut auf den Weg. Mit klopfendem Herzen achteten sie auf die kleinsten Anzeichen von Windgeistern am Himmel über ihnen, denn an der Stelle, an der sich Windgeister zeigen würden, würden sie auch auf den Zauberer stoßen.
    Die Pferde waren einigermaßen ausgeruht, die Blutungen ihrer Wunden gestillt, doch dass von ihnen verlangt wurde, die Straße entlang zu der Stelle zurückzukehren, wo sie dermaßen erschreckt worden waren, gefiel ihnen ganz und gar nicht. Hodges schwarzer Wallach stemmte die Hufe in den Boden und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher