Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
legen …
    »Wollt Ihrs mir nich erzählen, Herr?«
    »Wie? Ach so, doch.«
    Und Lapidius berichtete seiner Magd alles, was er wusste, denn sie hatte es verdient. Sie hatte, trotz der Drohungen und des Drucks, denen sie immer wieder ausgesetzt war, zu ihm gehalten, auf ihre Art, mit allen ihren Stärken und kleinen Schwächen, und das rechnete er ihr hoch an.
    Als er geendet hatte, schickte die Sonne bereits ihre ersten Strahlen in die Täler, und sie passierten das Osttor. Durch die Schellengasse stadteinwärts gehend, rief die Magd: »Ogottogott, Herr, ich kanns gar nich glauben, wasda alles passiert is, nich glauben kannichs! Un wennich das Traute Schott erzähl, die glaubts auch nich!« Lapidius blieb stehen. »Das kann warten, Marthe. Ich möchte, dass Richter Meckel unverzüglich über den Aufenthalt der Teufel in Kenntnis gesetzt wird – trotz der frühen Stunde und obwohl heute Sonntag ist. Je früher er die Teufel in den Kerker werfen lässt, desto besser. Laufe darum rasch zu ihm. Ich gehe derweil voraus zu Freyj a. Wenn der Richter weitere Fragen hat, und die hat er bestimmt, will ich sie gern am Nachmittag beantworten. Er möge sich dann zu mir bemühen. Hast du alles begriffen?«
    »Ja, Herr, j a doch! «
    Sie trennten sich, und die Magd eilte davon. Während er seine Schritte heimwärts lenkte, hatte Lapidius zum ersten Mal Muße, den Tag zu genießen. Welch ein herrliches Wetter! Die Straßen waren noch wenig belebt, die Luft roch nach Frühling, und der Himmel war blau. Lange hatte er sich nicht so frei, so unbeschwert gefühlt. Ein Lied vor sich hin pfeifend, bog er wenig später in die Böttgergasse ein. Was Freyja wohl zu alledem sagen würde? Lapidius verhielt, denn er war vor seinem Haus angekommen. Sein Blick fiel auf Taufliebs Werkstatt. Der Meister hatte nicht so viel Grund zur Freude, er würde sich nach einem neuen Hilfsmann umsehen müssen – egal, ob Gorm seine Verletzungen überlebte oder nicht. Ob er dem Schlossermeister sofort Bericht erstatten sollte? Nein, die schlechte Kunde würde ihn noch früh genug erreichen, und die Rückgabe der Waffen konnte warten.
    Freyja. Wie es ihr wohl ging? Er beschloss, sie zu überraschen. Er wollte ihr verblüfftes Gesicht sehen, wenn er plötzlich vor der Türklappe stand und sagte: Es ist alles überstanden, Freyja. Die Teufel werden nie wieder ihr Unwesen treiben.
    Er brach sein Pfeifen ab und bemühte sich, die Haustür leise zu öffnen. Wie gut, dass Schloss und Riegel neu waren, kunstvoll eingesetzt und sorgfaltig gefettet von Tauflieb. Ja, ja, der Mann verstand sein Handwerk! Lapidius schlich in die Diele und legte als Erstes die Muskete und die Pistolen ab, damit das Geklirr der Waffen ihn nicht verriet. Dann schickte er sich an, die Treppe zu erklimmen. Wenn nur die Stufen nicht wieder so knarrten! Er würde ganz langsam und vorsichtig hinaufgehen. Es waren elf Stufen, und die erste war besonders tückisch. Am besten, er würde sie einfach übersteigen, so konnte nichts passieren.
    Lautlos pirschte er sich nach oben. Gleich hatte er es geschafft. Nur noch die letzte Stufe. In seinem Gesicht stand freudige Erwartung.
    Und dann das blanke Entsetzen.
    Vor ihm tanzte eine Teufelsmaske. Sie saß auf dem Hinterkopf eines Mannes, der sich im schnellen Rhythmus hin und her bewegte. Gesseler.
    Das konnte nicht sein! Und doch war es so. Wie war Gesseler, dieser Satansjünger, aus der Höhle entkommen? Hatte er sich doch an ihm vorbeigeschlängelt? Unmöglich. Zu schmal war der Gang. Wie dann? Durch die gegenüberliegenden Gänge? Nein, nein, sie waren doch tot, blind, unpassierbar. Ein Geheimweg vielleicht? Ein Geheimweg!
    Diese und ähnliche Gedankensplitter jagten im Bruchteil eines Augenblicks durch Lapidius’ Hirn; sie waren unnütz und überflüssig, ja sogar gefährlich, denn der Teufel hielt ein Messer in der Hand. Den Hirschfänger! Mit ihm hatte er bereits die Türklappe aufgehebelt.
    Ohne sich zu besinnen, stürmte Lapidius vor, voller Wut, Angst und Verzweiflung. Er wollte sich auf den Unhold stürzen – und stürzte selbst. Auf der letzten Stufe stolperte er über seinen langen Mantel und schlug der Länge nach hin.
    Einen Wimpernschlag später war er bewusstlos.
    Lapidius wusste nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war, aber als er wieder zu sich kam, lag er nach wie vor am Boden. Sein erster Gedanke war, dass er versagt hatte. Wieder einmal. Aber diesmal mit tödlichen Folgen. Freyj a war tot, und er hatte versagt. Und der Teufel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher