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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer
Autoren: Wolf Serno
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Schaum vor dem Mund. Nein, nein, Herr Stadtmedicus, Ihr gebt nur vor, an der Fallsucht zu leiden, um an manchen Tagen der Stadt nicht zur Verfügung stehen zu müssen. An Tagen, wo Ihr Euer Unwesen treiben wollt.
    Ich will Euch sagen, Doktor Gesseler, welches Leiden Ihr habt: Ihr habt den Trieb, Macht auszuüben, die Lust zu quälen, zu töten und Euch dabei geschlechtlich zu ergötzen. Und um bei alledem im Hintergrund bleiben zu können, bedient Ihr Euch Gorms und Fetzers. Ihr macht sie Euch mit der Kraft Eurer Augen und Stimme gefügig und veranstaltet diesen ganzen Mummenschanz nur, damit beide eine Rechtfertigung für Eure Untaten erkennen können. Gorm und Fetzer sind wichtig für Euch. Sie sind Eure Werkzeuge.«
    Gesseler atmete jetzt schnell ein und aus. Seine Lippen zuckten, seine Augen schossen Blitze. »Halt dein Maul endlich, du, du … du Alchemist, du! Du Destillat der Dummheit, du Nichts! Glaubst du, du könntest mit dem Ersten Sohn des Teufels rechten? Ich werde dich …«
    »Ihr werdet gar nichts mehr! Dafür will ich sorgen. Ich werde Euch ein für alle Mal das Handwerk legen, Gesseler! Ich weiß nicht, seit wann Ihr Eure Gräueltaten verübt, aber ich weiß, dass Freyja Säckler Euch in dieser Höhle entwischte und Ihr fortan alles daransetzen musstet, sie als Hexe zu denunzieren, damit sie verbrannt wurde und Euer schändliches Tun nicht mehr verraten konnte. Kalt lächelnd wolltet Ihr sie töten lassen!«
    »Töten«, sagte Gorm wieder, und auch in Fetzer kam Bewegung. Er bückte sich und hob den Hirschfänger auf. »Sollen wir ihn töten?«
    »Nein!«, herrschte der Stadtmedicus seine Helfershelfer an. »Ich, der Erste Sohn des Teufels, will es nicht, noch nicht. Ich will, dass ihr folgsam seid. Ihr tut nichts, bevor ich es euch sage.«
    »Ja, Meister! Natürlich, Meister.«
    Der unterwürfige Ton seiner Teufelsbrüder besänftigte Gesseler augenblicklich. Sein überhebliches Gebaren kehrte zurück. »Natürlich lasse ich töten, kalt lächelnd töten. Viele mussten sterben – wie die schiefe Jule, die ihren Korb nicht herausrücken wollte …« Er kicherte. »Da Ihr j a vorgebt, alles zu wissen, muss ich nicht lange darüber reden, wie Gorm sie erschlug. Und auch nicht darüber, dass die Koechlin und die Drusweiler in meinen Diensten stehen. Diese tüchtigen Frauen, die beide jetzt Witwen sind! Fast hätten sie die Säckler schon dahin gebracht, wo ich sie hinhaben wollte, aber was nicht ist, kann immer noch werden.« Er kicherte heftiger. Der Gedanke gefiel ihm. »Geld, Drohungen und die Kraft meiner Augen, damit ist alles auf dieser Welt zu erreichen, Lapidius, alles! Und auch Ihr werdet mir nicht entgehen. Ihr werdet Luzifers Höhle nicht lebend verlassen.«
    »So, meint Ihr? Freyja Säckler ist Euch doch auch entkommen. Und Ihr werdet ihrer niemals habhaft werden, denn sie steht unter meinem persönlichen Schutz.«
    »Ha! Ihr haltet sie gefangen in einer winzigen, abgeschlossenen Kammer! Immerhin ein guter Einfall, er könnte von mir sein. So ist sie immer zur Stelle, wenn es Euch zwischen den Beinen juckt.«
    »Ich habe Freyja Säckler gegen die Syphilis behandelt.« »Das glaubt Ihr doch selbst nicht.«
    »Sie hat die Syphilis, das heißt, ich hoffe, sie hatte sie. Denn die Frau wurde von mir tatsächlich behandelt. Wenn Ihr, Herr Stadtmedicus, sie nicht geschändet habt, könnt Ihr Euch glücklich schätzen, denn in diesem Fall bleibt Euch die Geschlechtspest erspart. Wer aber sagt Euch denn, dass die beiden ermordeten Frauen gesund waren? Vielleicht hatte auch von ihnen eine die Franzosenkrankheit, und wenn dem so ist, habt Ihr sie jetzt ebenfalls.«
    Bei Lapidius’ letzten Worten hatte Gesseler sich unwillkürlich ans Gemächt gefasst, trug nun aber wieder seine überlegene Miene zur Schau. »Wir haben uns nicht angesteckt, Lapidius.«
    »Ich dachte mir, dass ihr euch zu dritt an den Frauen vergangen habt. Wahrscheinlich, Herr Stadtmedicus, steigerte es Eure Lust, einem anderen beim Akte zuzusehen. Oder Euch selbst beim Akte beobachtet zu fühlen. Nun, Gunda Löbesam, die Korbmacherin, hatte nicht das Glück, wie Freyja Säckler fortlaufen zu können. Wahrscheinlich, weil Ihr die Kraft Eurer Augen durch eine größere Dosis Rauschtrank verstärkt hattet. Wie heimtückisch, wie abgefeimt, wie abgrundschlecht Ihr vorgegangen seid! Ihr habt Gundas Leiche unter den Karren der Säckler legen lassen. Aber auch das nützte Euch nichts, denn Freyja wurde noch immer nicht als Hexe verbrannt.
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