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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Autoren: Thea Dorn
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obligatorischen Blick zu den Baukränen, die über dem Potsdamer Platz in den Himmel ragten. »Ihre Mutter hat ihren Alten umgebracht.« Sie schnipste den Zigarettenstummel in die Tiefe und lächelte Franz an. »Ich hab dir doch erzählt, dass ich eine Serie über Berliner Mörderinnen mache.«
    Franz schnaubte. »Jawohl. Nach zehn Bier.«
    Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Du weißt,
dass ich die Dinge, die ich nach zehn Bier erzähle, besonders ernst meine.«
     
    Erika Konrad erwachte hustend. Sie hatte einen ekelhaften Geschmack im Mund. Weshalb lag sie auf dem Parkett? Verwirrt blinzelte sie an die Decke und erkannte die gipsernen Putten, die mit ihren Füllhörnern auf sie zielten. Ja, richtig. Sie war zu Hause . Daheim. At home.
    Mühsam setzte sie sich auf. Ihr Lieblingskleid war von oben bis unten voll gekotzt. Ausgerechnet ihr Lieblingskleid. Ihr Lieblingskleid aus Seide, das ohnehin so schwer zu pflegen war. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie schwierig es damals in diesem Schweizer Restaurant gewesen war, den Rotweinfleck herauszubekommen. Rotweinflecken waren ja immer ein Problem, aber aus Seide gingen sie eben so besonders schwer heraus.
    Erika Konrad erhob sich. Mit zitternden Knien ging sie zur Tür.
    Vielleicht konnte sie das Kleid noch retten, wenn sie es jetzt gleich einweichte. Seide immer nur in kaltem Wasser einweichen. Empfindliche Stoffe nie heiß behandeln.
    An der Schwelle blieb sie stehen. Ihre Knie zitterten so stark, dass sie sich am Türrahmen abstützen musste. Ein paar Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    Warum konnte sie denn jetzt nicht weitergehen? Wenn sie nicht schnell ins Badezimmer kam und ihr Kleid einweichte, war doch alles verloren. Alles verloren. Alles verloren.
    Heulend sank sie auf die Knie. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen den Türrahmen. Es durfte nicht sein. Nein. Nein. Nein. Es durfte nicht sein. Sie hatte ihrem Mann doch von Anfang an gesagt, dass eine weiße Wohnzimmereinrichtung nicht sauber zu halten war.
    Erika Konrad erstarrte. Kälte kroch zwischen ihren Schulterblättern hinauf. Wohnzimmereinrichtung. Weiße Wohnzimmereinrichtung. Was - Was -

    Eine unsichtbare Hand packte sie am Kinn und drehte ihr Gesicht langsam zur Zimmermitte zurück. Nein. Nein. Nein. Erika Konrad schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander. Sie wollte nicht sehen. Sie wollte überhaupt nichts sehen.
    Zwei Geisterfinger schoben sich unter ihre Lider und drückten sie unbarmherzig nach oben.
    Erika Konrad wimmerte leise. Da lag, was da nicht liegen durfte. Lag immer noch da. Auf dem Couchtisch. Und hatte keinen Kopf mehr.
    Sie zog ihre Knie an und umklammerte sie mit beiden Armen. Ihr war kalt. So furchtbar kalt.
    Das Blut war bis zur Decke gespritzt. Bis zum Kronleuchter. Vorhänge. Ledergarnitur. Lampenschirme. Bilderrahmen. Kamin. Alles vollgespritzt. Der Seidenteppich, der unter dem gläsernen Couchtisch lag, war ganz rostrot.
    Erika Konrad schluckte. Nur gut, dass ihr das nicht passiert war. Und fing an zu kichern. Sie hätte nicht hören mögen, was ihr Mann ihr erzählt hätte, wenn es ihr Blut gewesen wäre, das da überall an seinen teuren weißen Möbeln klebte.
    Die Kälte war plötzlich verschwunden. Auch ihr Körper hatte aufgehört zu zittern. Sie war ganz leicht. Ganz leicht und ruhig.
    Fast schon beschwingt stand sie auf. Kein Fitzchen Angst mehr. Wovor auch. Er war ja tot.
    Einen Meter vor dem Couchtisch blieb sie stehen.
    Sonderbar, wie wenig es einen Menschen veränderte, wenn man ihm den Kopf abhackte. Es war ihr Mann. Zweifellos ihr Mann. Man hätte ihm noch viel mehr abhacken können, selbst der bloße Rumpf wäre unverkennbar Robert Konrad geblieben. Der große Robert Konrad. Der Charisma-Riese.
    Obwohl er nicht mehr dunkelgrau, sondern so rostrot wie der Rest des Zimmers war, erkannte sie sofort, dass er
zum Sterbengehen seinen teuersten Anzug angezogen hatte. Der Anzug, von dem er selbst behauptete, er sähe in ihm wie ein guter Vierziger aus. Das Jackett lag hingeworfen auf der Couch, das Hemd war bis zum Hosenbund hinab aufgeknöpft.
    Mit der Fußspitze tippte sie die Flasche an, die samt Sektkübel zu Boden gefallen war. Neunzehnhundertneunziger Dom Pérignon. Sein Lieblingschampagner. Gedankenverloren bückte sie sich nach den zwei Sektgläsern, die etwas weiter entfernt lagen.
    Ich hoffe, du hast einen schönen Abend verbracht.
    Ihre Stimme hallte fremd in dem toten Raum.
    Sie richtete sich auf. Und stieß gegen den Arm, der
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