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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin
Autoren: Pia Rosenberger
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wissen, dass die Katharer und ganz besonders die »Perfectae« Ehe und Kinder ablehnen, um nicht noch mehr Unglück auf die Welt zu ziehen.«
    Lena zog scharf die Luft ein und schluckte.
    »Und dann starb Joèlle durch eine aufgehetzte Söldnertruppe. Ich kam von einem auswärtigen Auftrag zurück und habe sie tot aufgefunden. Sie hatten sie einfach gesteinigt.«
    »Lionel!«, flüsterte Lena geschockt. »Das ist ja schrecklich!«
    Er hatte das Gesicht in seinen Händen vergraben. Nach einem Moment ließ er zu, dass sie den Arm um seine Schultern legte. »Das Schlimmste daran ist, dass ich nicht da war, als sie mich brauchte. Aber Frère Mort, den wollte ich büßen lassen, was er getan hatte. Ich kam mit gezogenem Schwert in den Gerichtssaal gestürmt, als die Inquisition tagte, und habe ihn beschuldigt, den Tod meiner Frau verursacht zu haben. Er wies alles von sich. Wenn Joèlles Schwester mich nicht zurückgehalten hätte, hätte ich ihn in diesem Moment getötet. Er und ich, wir wussten beide nicht, dass gerade ich einmal seinen Mörder richten würde. Wie seltsam das Schicksal manchmal spielt.«
    Schweigend saßen sie in der Kälte der Nacht. Lena dachte kurz daran, dass die Tore längst geschlossen sein würden, wenn sie ins Tal kämen, aber auch das ließ sich mit ein paar Münzen regeln. Es war viel wichtiger, hier miteinander zu sprechen.
    »Er hat mich nicht vergewaltigt«, sagte sie schließlich, und ihr Herz klopfte.
    Überrascht hob er den Kopf. »Nicht? Aber es hätte mir auch nichts ausgemacht, wenn es so gewesen wäre.«
    »Er hat es versucht.« Die Worte wollten nicht recht heraus. Widerwillig stellte sie fest, dass sie sich schämte. »Zweimal. Beim ersten Mal habe ich ihn verflucht, und er hat mich ausgelacht. Aber beim zweiten Mal …« Die Worte saßen wie kantige Steine in ihrer Kehle. Jedes einzelne tat weh, bevor es ausgesprochen war. Denn hatte sie nicht schon ihre Ehre verloren, als Roteneck sie unterworfen hatte? »Er hat mich aufs Bett geworfen und ein paarmal kräftig ins Gesicht geschlagen, und er … fummelte unter seinem Surcot herum. Und da habe ich ihm gesagt …« Es war so peinlich und so schlimm, dass sie es fast nicht aussprechen konnte. »Dass ich eine Hexe bin.«
    Er richtete sich auf und schaute sie ungläubig an. »Und das hat er dir geglaubt?«
    Sie druckste herum, fand nicht die richtigen Worte. »Zuerst nicht, aber dann habe ich mich ganz steif gemacht und ihn nur angesehen. Und schließlich kam ein Windstoß, blies durch den Fensterladen und hat die Kerze ausgelöscht.« Mehr erzählte sie nicht. Nicht, dass er sie Teufelsbuhle genannt und fast bewusstlos geschlagen hatte.
    »Sieh an!« Lionel schüttelte den Kopf und lachte leise und traurig. »Du hast ihn tatsächlich bei seiner tiefsitzenden Angst erwischt. Dem Wind sei Dank!«
    »Er hat sich an Loisl schadlos gehalten.«
    Er zog sie an sich, bis sie seine Knie berührte, und hob sie dann auf seinen Schoß. »Sie wird es überstehen. Aber lass niemanden wissen, was passiert ist. Hörst du, niemals!«
    Der Moment war wirklich nicht passend, aber trotzdem küsste er sie auf den Mund. Seine Hände wanderten unter ihren Mantel, streichelten ihren Hals, ihre Kehle und wanderten weiter abwärts. Eigentlich hatte sie vorgehabt, so etwas nicht zuzulassen, aber es war … anders als bei Roteneck. Trotzdem griff sie nach seiner Hand und legte sie entschlossen in ihren Schoß. »Es schickt sich nicht, so weit zu gehen.«
    »Oh, ich könnte noch viel weiter gehen«, sagte er heiser und küsste sie wieder. »Du bist für mich ein Neuanfang, als ob das Leben seine Tür für mich geöffnet hat.«
    »Aber wir haben doch Zeit genug. Wenn wir erst verheiratet sind und du die Werkstatt übernommen hast.«
    Mit einem Ruck ließ Lionel sie los und setzte sich zurück. »Weißt du es denn gar nicht?«
    Verwirrt schüttelte Lena den Kopf. »Was weiß ich nicht?«
    »Sie haben dir also nichts gesagt«, murmelte er und biss sich auf die Lippen. »Ces poltrons!« Er hob sie von seinem Schoß und setzte sie wieder auf seinen fellgefütterten Mantel. »Hör zu, Madeleine! Was ich dir jetzt sagen werde, wird dir nicht gefallen.«
    Sie runzelte die Stirn. Plötzlich war ihr Herz genauso kalt wie ihre Hände. »Was denn?«, fragte sie leise.
    »Ich werde morgen die Stadt verlassen.«
    »Aber … Doch nicht schon wieder!« Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
    »Auch wenn ich dich liebe, es war nie die Rede davon, dass ich für immer
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