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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin
Autoren: Pia Rosenberger
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die Regeln, wusste, dass sie bald das Fest von Christi Geburt feiern würden, das zweitschönste im ganzen Jahr. Warum war sie dann so traurig? Lustlos verscheuchte sie den kleinen Kater, der es sich auf ihrem Schoß bequem machen wollte, und schob die halbvolle Schüssel zurück.
    In diesem Moment sprang die Tür auf. Martha und Sanna traten ein und brachten einen Schwall kalte Luft mit. Sie waren auf dem Markt gewesen, und Martha hob den schweren Korb mit Möhren, Sellerie, Rindfleisch und Kohl auf den Tisch.
    »Hallo, Lena!« Sanna sprang auf sie zu, ein kleiner Kobold mit roten Backen und eisigen Händen, und setzte sich auf den Platz, den der Kater gerade frei gemacht hatte. Lena ließ es seufzend zu und vergrub ihr Gesicht in ihrem weichen, duftenden Blondschopf. Eine kleine Hand tätschelte ihre Rechte. »Nicht traurig sein, Lena!«
    Derweil schob Martha die Ärmel hoch und begann, den Einkauf zu verstauen.
    »Dieser Quälgeist!« Mit spitzem Finger deutete sie auf Sanna. »Ohne einen süßen Krapfen geht sie nicht nach Hause. Sicher können wir sie irgendwann durchs Haus rollen wie ein Fass.«
    Sanna kicherte, und Martha packte ein verlockend duftendes Leinensäckchen aus, das sie vor den beiden auf den Tisch legte.
    »Darf ich?«, fragte Sanna und machte sich schon an der Verschnürung zu schaffen.
    »Ja, klar, aber gib Lena auch einen.«
    Prüfend schaute sie ihre Pflegetochter an. »Krapfen mit Honig helfen gegen Liebeskummer.« Lena wurde knallrot, nahm sich einen und biss lustlos in die klebrige Süßigkeit.
    Währenddessen hob Martha das Mädchen von Lenas Schoß und gab ihm einen scherzhaften Klaps auf den Po. »Sanna, geh mal ein wenig auf die Gasse und spiel! Ich hab etwas mit Lena zu besprechen. Aber nicht ohne Mütze, hörst du!«
    »Ja, ja«, zwitscherte die Kleine.
    Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, setzte sich Martha an den Tisch und nahm ihre Hand. »Lena …«, begann sie.
    »Sei bitte still!«, flüsterte diese. Wenn Martha auch nur ein weiteres Wort sagte, würde sie sich in Tränen auflösen. Aber Martha ließ sich durch so eine Kleinigkeit nicht abhalten. »Lionel ist ein guter Mann.«
    Lena richtete sich auf und funkelte Martha an. Ihre roten Augenbrauen zogen sich zornig zusammen. »Weißt du eigentlich, wer er ist? Weiß das überhaupt irgendjemand hier im Haus?« Zu ihrer Verwunderung nickte Martha. »Wir wissen es noch nicht lange, aber es spricht sich herum. Jedenfalls, wenn einer eine Urkunde als Teilhaber unterschreibt. Und dein Vater wollte auch gern wissen, wem er die Hand seiner Tochter anvertraut.«
    »Und es macht euch nichts aus, dir und Vater?«
    »Dass er der Bastard eines Bischofs ist? Sollte es das?«
    »Nein …« Sie schüttelte den Kopf und sortierte ihre Gedanken. »Dass er vom Stand so unglaublich weit über uns steht.«
    Martha zuckte die Schultern. »Ach, weißt du, ich habe so viel gesehen in meinem Leben. Wenn ich da immer nur nach dem schaue, was einer ist, dann übersehe ich vielleicht, wie einer ist.«
    Lena biss sich auf die Lippen und schwieg. Lionel hatte ihr gestern Einblick in seine Vergangenheit und in sein Herz gewährt, das er sonst sorgsam vor neugierigen Blicken verbarg. Wenn das kein Vertrauensbeweis war.
    »Aber sie haben wieder über meinen Kopf hinweg entschieden«, sagte sie kleinlaut. »Und mich dann an Konrad verschachert, der es sich als Glasmalermeister in Esslingen bequem macht wie die Made im Speck.«
    Sie biss von dem Krapfen ab, der schmeckte, als hätte ihn die Bäckerin aus Sägemehl gemacht, und prompt in ihrem Hals steckenblieb. Lena hustete, und Martha klopfte ihr den Rücken.
    »Davon kann keine Rede sein«, sagte sie dann streng. »Genau andersherum wird ein Schuh daraus. Konrad würde dich nehmen, wenn du nicht auf Lionel warten willst. Er ist einer der gütigsten und verständnisvollsten Menschen, denen ich je begegnet bin.«
    »Dann heirate du ihn doch!«, rief Lena.
    Martha stand auf und nahm sie in ihre weichen Arme. »Lass Lionel nicht ziehen!«, sagte die Köchin. »Nicht ohne ein Wort.«
    Martha hatte sie oft getröstet, nicht nur bei aufgeschlagenen Knien und zerrissenen Röcken. Ihr hatte sie alle Geheimnisse anvertraut, und sie kannte auch die, die sie für sich behalten wollte. Ihr Geruch nach Rindfleischsuppe und süßem Gebäck war der Inbegriff von Geborgenheit. Lena blieb einen Moment in der Umarmung, dann aber fiel ihr die plötzliche Stille auf, die durch die Fensteröffnung drang, und ihr Magen
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