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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin
Autoren: Pia Rosenberger
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hallo. Und dann wäschst du dir die Hände«, sagte sie drohend. »Und schließlich kommst du an den Tisch und isst mit mir.«
    »Oh. Hallo!« Schuldbewusst schaute der Junge auf seine schwarzen Finger und stürmte davon.
    »Er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte Lionel leise, und Renata wurde weiß wie die Wand. »Aber …«
    »Keine Sorge, von mir erfährt niemand etwas«, versicherte er. Lena dachte nach. Lionel hatte den alten Appenteker doch gar nicht gekannt. Das bedeutete? Nein, das gab es nicht! Er hatte sogar die gleichen grauen Augen wie …
    »Bruder Thomas!«, flüsterte sie. Die Dinge zerbrachen und fügten sich neu zusammen wie die Eisschollen auf dem Neckar im Winter.
    »Schhh!«, machte Renata verbissen und drehte sich zur Tür um, hinter der die Pumpe noch immer quietschte. »Einmal in meinem Leben hat das Herz und nicht die Vernunft über mein Schicksal bestimmt. Aber der Junge darf nichts von seiner unehelichen Geburt erfahren. So wie ganz Esslingen zum Glück nicht richtig nachgezählt hat. Bisher …«
    Lena schluckte. »Ich sag niemand was.«
    »Das hätte ich auch so von dir erwartet«, sagte Renata und nahm Lena bei der Hand. »Aber wie habt Ihr es gemerkt, Lionel?«
    Lionel stand auf und wandte sich zur Tür. »Wir sollten gehen, Madeleine! Ehe der Abend uns überrascht.«
    Dann drehte er sich um und schaute Renata voll ins Gesicht. »Es ist deutlich, wenn man die beiden nebeneinander sieht. Bruder Thomas hat ihn ja auch unter seine Fittiche genommen. Aber es steht ihm nicht auf der Stirn geschrieben. Nein.« Er zog Lena in seine Arme. »Ich habe es erkannt, weil es auch mich betrifft. Denn ich bin ebenfalls der Bastard eines Geistlichen.«
    Was? Lena war verwirrt. Tausend Gefühle stürmten auf sie ein. Wer war Lionel wirklich? Wie viele Geheimnisse gab es noch? Ein Mann mit adligen Manieren und einer inneren Unabhängigkeit, die ihn dem König mühelos in die Augen sehen ließ. Wie sollte sie nur mit ihm Schritt halten? Obwohl – im Moment stellte sich die Frage nicht, denn er zog sie mit eisernem Griff mit sich fort in die Dämmerung. Das kleine Haus mit seinem Kräutergarten und seiner verwunschenen Stille blieb hinter ihnen zurück.
    »Nicht«, sagte sie und versuchte vergeblich, sich zu befreien.
    »Wir müssen reden«, sagte er und hielt sie unbeirrt weiter fest. »Ich bin dir so manche Erklärung schuldig.«
    Und so ließ sie sich mitziehen, die Weinberge hinab, in denen es länger hell blieb, und nicht auf dem kürzeren Weg durch die Wälder und tiefen Schluchten am Rande der Filialorte, wo sie Roteneck zum ersten Mal begegnet war.
    Der Tag ging langsam in einen durchsichtig blauen Abend über. Am Himmel blitzten ein paar blasse Sterne auf. Auf halber Höhe zur Stadt ließ er sie schließlich los.
    »Mach das nie wieder!«, zischte sie und rieb sich ihr Handgelenk.
    Er zuckte die Schultern. »Ich wollte nur verhindern, dass du mir wegläufst.«
    »Das hätte ich auch beinahe gemacht.« Herausfordernd starrte sie zu ihm hoch.
    »Ich verstehe nicht, warum du so zornig bist«, sagte er leise. »Wenn du etwas dagegen hast, dass ich unehelich geboren bin, dann sag es mir.«
    »Aber darum geht es doch gar nicht.«
    »Um was denn sonst?«
    Ungeduldig drehte sie sich einmal um sich selbst, bis sich ihr kostbarer, blauer Samtmantel im Wind blähte. Die Weinhänge schwankten, und der Fluss, weit unter ihr und dunkelgrau in seinem Bett, wurde zu einer sich aufbäumenden Schlange. »Dein Vater war sicher kein einfacher Franziskaner wie Bruder Thomas. Der war mindestens ein Abt, wenn nicht sogar ein Bischof. Und damit stehst du weit über dem Hardenberger. Du bist so weit von mir entfernt wie …« Hilflos hob sie die Hände. »Ein Stern von der Erde.«
    Wieder und wieder schüttelte er den Kopf. »Der Stand, deiner und meiner, bedeutet mir nichts. Für mich zählt nur deine Person und dass wir uns lieben.«
    »Also gut.« Sie setzte sich auf eine der Steinbänke, auf denen die Weingärtner und ihre Frauen Rast machten. Zum Glück war es nicht die, hinter der sie mit Valentin den toten Anstetter gefunden hatte. Lionel stand vor ihr, groß, schlank und imposant. Seine braunen Haare kräuselten sich im feuchten Abendwind, und hinter ihm dehnte sich weit der Himmel.
    »Warte!«, sagte er, zog sie hoch und legte seinen Mantel mit der Innenseite nach außen auf den kalten Stein. Er war, wie konnte es anders sein, mit teurem Marderfell gefüttert. Außen aus solider Wolle,
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