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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls
Autoren: Jodi Picoult
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hätte sie vielleicht gar nicht gesehen, daß er mit gesenktem Kopf auf dem nackten Bordstein saß.
    Fluchend fuhr sie einmal um den kleinen Park herum, bis sie wieder am »Diner« war. »Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?«
    »Nein. Aber danke für das Angebot.«
    Addies Finger umspannten das Lenkrad fester. »Sie haben noch keine Unterkunft, nicht?« Bevor er etwas einwenden konnte, stieg sie aus dem Wagen. »Zufällig weiß ich ein Zimmer, das Sie mieten können. Die schlechte Nachricht ist, daß Sie einen Wohngenossen haben werden, der nicht immer bester Laune ist. Die gute Nachricht ist, wenn Sie mitten in der Nacht Hunger kriegen, können Sie eine gut gefüllte Küche plündern.« Während Addie sprach, schloß sie den »Diner« wieder auf und trat durch die Tür. Sie sah, daß Jack zögerte, vom fallenden Schnee umgeben wie von einem Heiligenschein. »Hören Sie. Mein Vater könnte etwas Gesellschaft gebrauchen. Sie würden mir wirklich einen Gefallen tun.«
    Jack bewegte keinen Muskel. »Wieso?«
    »Wieso? Na, weil ihm das viele Alleinsein … aufs Gemüt schlägt.«
    »Nein. Warum tun Sie das für mich ?«
    Addie ließ sich nicht von seinem Mißtrauen beirren. Sie tat das, weil sie wußte, wie es war, wenn man am Boden lag und jemanden brauchte, der einem wieder aufhalf. Aber ihr war auch klar, daß Jack, wenn sie ihm das sagen würde, aus lauter Stolz schon halb die Straße runter wäre, bevor sie überhaupt zu Ende geredet hätte.
    Also antwortete Addie gar nicht, statt dessen marschierte sie resolut über den schwarzweißen Boden des »Diner«.
    Vorhin bei ›Jeopardy!‹ war eine Kategorie griechische Mythologie gewesen. Ein griechischer Held, der die Götter der Unterwelt bewogen hatte, ihm seine Gemahlin Eurydike zurückzugeben, sie aber wieder verlor, weil er sich zu früh nach ihr umschaute, um zu sehen, ob sie ihm auch folgte.
    Addie würde nicht Orpheus sein. Sie ging weiter, die Augen starr nach vorn gerichtet, bis sie das schwache Klingeln der Türglocken hörte und wußte, daß Jack aus der Kälte hereingekommen war..

September 1999
North Haverhill,
New Hampshire
    Auf Aldo LeGrandes Stirn war ein Totenschädel tätowiert, was für Jack Grund genug war, sich die Pritsche zu nehmen, die am weitesten von ihm entfernt war. Aldo reagierte nicht, als Jack seine Sachen ablegte, sondern schrieb seelenruhig weiter in einem lila Heft, dessen Umschlag mit Hakenkreuzen und Kobras bemalt war.
    Jack fing an, ein paar Habseligkeiten in einen kleinen Kasten am Fuß des Bettes zu packen. »Das würd ich an deiner Stelle lieber lassen«, sagte Aldo. »Mountain benutzt den, wenn er nachts pinkeln muß.«
    Jack schenkte der Warnung keine Beachtung. Er war seit einem Monat im Gefängnis von Grafton County. Alle Neuzugänge kamen zuerst in den Hochsicherheitstrakt und durften nach zwei Wochen guter Führung ein Gesuch auf Verlegung in den Vollzug mit mittlerer Sicherheitsstufe stellen. Nach weiteren zwei Wochen hatten sie Aussicht, in den Trakt mit minimaler Sicherheitsstufe zu kommen. Nach jedem Umzug mußte Jack sich eine Art Test von seinen neuen Zellengenossen gefallen lassen. Im Hochsicherheitstrakt war er angespuckt worden. Im mittleren Sicherheitsbereich hatte man ihm in den dunklen Ecken, die von den Überwachungskameras nicht erfaßt wurden, Schläge in die Nieren und den Magen verpaßt.
    »Mountain wird drüber wegkommen«, sagte Jack knapp. Schließlich verstaute er seine Bücher aus der Gefängnisbibliothek und schob den Plastikbehälter unter die untere Pritsche.
    »Liest du?« fragte Aldo.
    »Ja.«
    »Wieso?«
    Jack warf einen Blick über die Schulter. »Ich bin Lehrer.«
    Aldo grinste. »Na und, ich bin beim Straßenbau, aber ich male trotzdem keine gestrichelte Mittellinie auf den Fußboden.«
    »Das ist auch was anderes«, sagte Jack. »Ich lerne nun mal gern dazu.«
    »Aus Büchern lernt man nichts über die Welt, Pauker.«
    Aber Jack wußte, daß die Welt auch so keinen Sinn ergab. Vier Wochen hatte er über genau dieses Thema nachgegrübelt. Warum sollte ausgerechnet er auf jemanden wie Aldo Le-Grande hören?
    »Wenn du hier einen auf etepetete machst«, sagte Aldo, »bist du für die anderen Jungs ein gefundenes Fressen.«
    Jack versuchte, nicht darauf zu achten, daß sein Herz bei diesen Worten zu rasen anfing. Genau das war das Bild, das jedem Mann bei dem Gedanken ans Gefängnis vor Augen schwebte. Wäre es Ironie des Schicksals oder biblische Gerechtigkeit, wenn er, verurteilt wegen eines
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