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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls
Autoren: Jodi Picoult
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schweren Sexualdelikts, im Gefängnis Opfer einer Vergewaltigung würde?
    »Warum hat man dich eingebuchtet?« fragte Aldo und stocherte sich mit seinem Stift zwischen den Zähnen herum.
    »Warum hat man dich eingebuchtet?«
    »Vergewaltigung«, sagte Aldo.
    Jack wollte Aldo gegenüber nicht zugeben, daß auch er wegen eines Sexualverbrechens im Gefängnis saß. Das wollte er sich selbst gegenüber nicht zugeben. »Tja, ich hab nicht getan, was sie mir vorwerfen.«
    Aldo warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. »Das hat keiner hier, Pauker«, sagte er. »Kein einziger.«
    Der Trakt mit minimaler Sicherheitsstufe glich einem Gänseblümchen: Von einem Gemeinschaftsraum in der Mitte gingen kleine Nischen mit Pritschen ab wie Blütenblätter. Im Unterschied zu den unteren Stockwerken gab es keine Zellen, nur eine einzige verriegelte Haupttür und eine Kabine für die Wachleute in der Mitte. Die Waschräume waren vom Schlafbereich getrennt und konnten jederzeit von den Häftlingen aufgesucht werden.
    Jack ging, schon eine halbe Stunde bevor das Licht ausgemacht wurde, in den Waschraum, während alle anderen noch Fernsehen guckten. Im Vorbeigehen warf er einen Blick in den Gemeinschaftsraum. Ein großer Schwarzer saß am dichtesten vor dem Apparat, die Fernbedienung in der Hand. Er war ganz oben in der Hackordnung und durfte entscheiden, welches Programm eingeschaltet wurde. Andere Häftlinge saßen entsprechend ihrer Beziehung zu ihm, die besten Kumpel direkt hinter ihm und so weiter bis zu den Schlußlichtern in der letzten Reihe, die ihm tunlichst aus dem Weg gingen.
    Als Jack zu seiner Pritsche zurückkehrte, war Aldo verschwunden. Er behielt Unterhose und T-Shirt an, stieg ins Bett und drehte sich zur Wand. Er schlummerte ein und träumte vom Herbst mit seinem frischen Apfelduft und kristallklaren Himmel. Er sah seine Mannschaft beim Training auf dem matschigen Boden, wie die Stollen unter den Schuhen kleine Erdklumpen hochschleuderten, so daß die Mädchen den Platz im Lauf des Tages regelrecht umpflügten. Er sah, wie ihre Pferdeschwänze hinter ihnen herflatterten wie Bänder im Wind.
    Er wachte jäh auf, in Schweiß gebadet, wie immer, wenn er daran dachte, was geschehen war. Doch ehe er die Erinnerung verdrängen konnte, spürte er, wie eine Hand an seiner Gurgel ihn gegen die dünne Matratze preßte. Zunächst konnte Jack nur die gelben Augäpfel des Mannes sehen. Dann sprach er, und seine Zähne glitzerten in der Dunkelheit. »Du atmest meine Luft ein, du Scheißkerl.«
    Es war der Mann, den er mit der Fernbedienung in der Hand gesehen hatte, der Mann, den Aldo Mountain genannt hatte. Muskeln spannten sich unter den Ärmeln seines T-Shirts, und da er mit Jack, der im oberen Bett lag, auf Augenhöhe war, mußte er gut und gern an die zwei Meter groß sein. Jack griff nach der Hand, die ihm die Kehle zudrückte. »Es gibt genug Luft für alle«, röchelte er.
    »Es war genug da, bevor du hier aufgetaucht bist, Arschloch.«
    »Tut mir leid«, krächzte Jack. »Ich hör auf zu atmen.«
    Fast im selben Moment lockerte sich der Griff des Riesen. Ohne ein weiteres Wort hievte Mountain sich auf sein eigenes Bett. Jack lag wach, versuchte, nicht zu atmen, versuchte, nicht daran zu denken, wie Mountains dicke Finger seine Gurgel losgelassen und ihn dann statt dessen sanft am Hals gestreichelt hatten.
    Die Kühe überraschten Jack. Wie sie so dastanden, einzeln zum Melken an einen Pfosten gekettet, hatte er das zunächst für einen makabren Witz gehalten: Gefängnistiere, die in Ketten gelegt wurden. Doch nach einigen Tagen auf der Farm begriff er, daß sie niemals losgebunden wurden. Jack betrachtete ihre trägen, verschlafenen Mienen und fragte sich, ob es ihm genauso ergehen würde – hörte man nach so vielen Monaten in Gefangenschaft einfach auf, dagegen anzukämpfen?
    Die Zwillingsbrüder, die die Farm bewirtschafteten, hatten ihn mit dem Füttern betraut; er mußte Getreidekörner aus zwei verschiedenen Silos mischen und dann die Schubkarrenladung auf die kleinen Tröge vor den Kühen verteilen. Jack nahm die Schubkarre und ging ans hintere Ende der riesigen Scheune. Sie war voller Spinnweben, nur spärlich beleuchtet, und Fledermäuse schossen im Gebälk umher.
    Die Mischmaschine wurde mit einem Kippschalter an einem der dicken, aufrechten Holzbalken in Betrieb gesetzt. Jack schaltete sie ein und wartete, daß das Getreide oben in den Schacht rutschte. Der Lärm der prasselnden Körner war so
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