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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick
Autoren: John Updike
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Befehl. Von Norden kam ein kalter
Windstoß, die Vorhut einer Wetterfront, die die flatternden Wimpel
an den Badehäuschen straff waagerecht peitschte. Ein kol ektiver Laut
der Überraschung stieg auf, da, wo das nackte junge Volk sich am
dichtesten drängte, und dann aufgeregtes Geschnatter, als der Wind
stärker wurde; und der Himmel über Providence stand drohend, hatte
die Dichte eines lichtdurchlässigen purpurnen Felsens. Gheminaiea, Gegropheira, Cedani, Gilthar, Godieb. Kumuluswolken, die vor
wenigen Augenblicken noch harmlos dahintrieben wie Blumen auf
einem Teich, hatten sich am Fuß dieses atmosphärischen Kliffs
zusammengebal t und begannen zu brodeln; ihre Umrisse hoben sich
leuchtend wie Marmor von der dunkelnden Luft ab. Die Bilder auf
der Netzhaut hatten sich verändert: die Strandgräser und kriechenden
Quel er neben Alexandras dicken, nackten Zehen, die verhornt und
verkrümmt waren nach al den Jahren in von Männerbegehr und
grausamen Schönheitsbegriffen geformten Schuhen, schienen wie
Negative in den Sand gezeichnet, dessen zerfurchte, narbige
Oberfläche, plötzlich lavendelfarben, so aussah, als wölbe sie sich wie
die Haut einer Blase, die sich unter dem Druck der atmosphärischen
Veränderung aufbläht. Die großmäuligen Jünglinge mußten
mitansehen, wie die Frisbee-Scheibe ihnen davonsegelte, immer höher
stieg, wie ein Drachen, und hatten es eilig, ihre Siebensachen in
Sicherheit zu bringen: ihre Kofferradios und Sechserbierpackungen,
ihre Turnschuhe und Jeans und Jäckchen im Military-Look. Das
    Pärchen hockte noch immer in seiner Kuhle, das Mädchen war nicht
zu beruhigen, es schluchzte, während der Junge ungeschickt und
hastig versuchte, Haken und Öse ihres Bikinioberteils wieder
zusammenzubringen. Coal bel te, hierhin, dorthin, der Druckabfal in
der Atmosphäre machte ihn verrückt, irritierte seine Ohren.
Jetzt spürte das Meer die Veränderung, das weite und
undurchdringliche Meer, das sich eben noch so friedlich hingedehnt
hatte bis nach Block Island. Seine Oberfläche kräuselte und riffelte
sich, wo fegende Wolkenschatten sie berührten; die Stellen sahen
runzlig und zusammengeschrumpft aus, wie etwas Verbranntes. Das
Motorboot dröhnte schärfer. Die Segel auf dem Wasser waren
weggeschmolzen, und die Luft vibrierte: al e Hilfsmotoren heulten
gleichzeitig auf und trieben ihre Boote zum Hafen. Eine Stil e
verstopfte die Kehle des Windes, und dann fiel der Regen, große
eisige Tropfen, die weh taten wie Hagelkörner. Honigfarbene
Liebespaare rannten mit stampfenden Schritten an Alexandra vorbei
zu ihren Autos, die am anderen Ende des Strandes, bei den
Badehäuschen, geparkt waren. Donner grol te über dem Kliff aus
dunkler Luft, und blaßgraue Wolkenfetzen, die wie Gänse aussahen,
wie fuchtelnde Redner, wie sich entspulende Garnknäuel, jagten vor
der Gewitterwand hin. Die großen stechenden Tropfen zerteilten sich
zu einem feinen, dichten Regen, der sich zu weißen Streifen bündelte,
da, wo der Wind ihn wie Harfensaiten packte. Alexandra blieb stehen,
eingesiegelt in kaltes Wasser; in den Weiten ihres Inneren hal te es
wider: Ezoill, Musil, Puri, Tarnen. Coal winselte zu ihren Füßen; er
hatte die Wäscheleine um ihre Beine gewickelt. Das Fell klebte ihm
flach an den Muskeln, sein Körper glänzte und zitterte. Durch
Regenschleier hindurch sah sie, daß der Strand leer war. Sie knüpfte
die Leine ab und erlöste den Hund.
Aber Coal blieb bei ihr, kauerte sich verängstigt zu ihren Füßen
zusammen, als ein Blitz aufzuckte und gleich darauf ein zweiter.
    Alexandra zählte die Sekunden bis zum Donner: fünf. Das Gewitter,
das sie heraufbeschworen hatte, betrug also, grob geschätzt, fünfzehn
Kilometer im Durchmesser, vorausgesetzt, die Entladungen fanden im
Zentrum statt. Ein Donnerschlag hatte sich geirrt, rumpelte fluchend.
Kleine gesprenkelte Sandkrabben krochen zu Dutzenden aus ihren
Löchern hervor und trippelten seitwärts zur Gischt hin. Ihre Panzer
waren so sandfarben, daß sie durchsichtig aussahen. Alexandra
wappnete sich und zertrat eine der Krabben mit der Sohle ihres
nackten Fußes. Opfern. Es mußte immer geopfert werden. Das
gehörte zu den Regeln der Natur. Alexandra tanzte von Krabbe zu
Krabbe, zertrat sie alle. Ihr Gesicht, vom Haaransatz bis zum Kinn,
flöß, und al e Farben des Regenbogens waren in diesem Fließen, so
sehr in Aufruhr war ihre Aura. Wieder wurde sie von Blitzen
fotografiert. Sie
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