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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick
Autoren: John Updike
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machen, auf die Haut
drückt – «Sukie sagt, ein Mann hat das Lenox-Haus gekauft.»
«Ein Mann?» sagte Alexandra Spoffort; sie fühlte, wie sie aus der
Balance rutschte, ihre friedvol e Aura an diesem Morgen dellte sich
ein unter dem aggressiven Wort.
«Aus New York», hastete Jane weiter. Die letzte Silbe kam Wie
gebel t, ohne r, Yankee-Stil. «Ohne Frau und Familie offenbar.»
«Oh. So einer.» Während Alexandra zuhörte, wie Jane mit ihrem
nördlichen Akzent ihr das Gerücht auftischte, ein Homosexuel er aus
    Manhattan wol e sich bei ihnen einnisten, kam sie sich wie
durchschnitten vor, durchkreuzt in diesem rätselhaften,
unübersichtlichen Staat Rhode Island. Sie war im Westen geboren,
wo weiße und violette Berge ragen zu den zarten, hochgetürmten
Wolken hin, und Amarantenknäuel zum Horizont hinrol en.
«Sukie war sich nicht sicher», sagte Jane eilig, ihr scharfes s mäßigend. «Er kam ihr ziemlich grobschlächtig vor. Sie war
beeindruckt, wie behaart seine Handrücken waren. Er hat den Leuten
bei Perley-Immobilien gesagt, daß er das riesige Anwesen braucht,
weil er Erfinder ist und ein Laboratorium hat. Und außerdem hat er
mehrere Flügel.»
Alexandra kicherte; der Klang hatte sich kaum verändert seit ihrer
Mädchenzeit, nicht ihre Kehle schien ihn hervorzubringen, sondern
ein vogelähnliches Wesen, das ihr auf der Schulter hockte. Aber da
war nur der Telefonhörer, er tat ihr am Ohr weh. Und ihr Unterarm
kribbelte, wurde al mählich taub. «Wie viele Flügel kann ein Mensch
denn haben?»
Jane war beleidigt. Ihre Stimme sträubte sich wie schwarzes
Katzenfell, irisierend. Abwehrend sagte sie: «Sukie sagt nur, was
Marge Perley ihr gesagt hat, gestern abend, auf der Sitzung des
Pferdetrog-Komitees.» Das Komitee war zuständig für die
Bepflanzung und, nach Vandalismustaten, Neubepflanzung eines
großen blaumarmornen Trogs, der in alten Zeiten als Pferdetränke
gedient hatte und mitten in Eastwick stand, da, wo die beiden
Hauptstraßen aufeinandertrafen. Die Stadt war L-förmig angelegt,
schmiegte sich um einen zerfransten Zipfel der Narragansett Bay. In
der Dock Street spielte sich das Geschäftsleben ab, und in der
rechtwinklig abbiegenden Oak Street standen die hübschen großen
alten Wohnhäuser. Marge Perley, deren scheußlich kanariengelbe «Zu
Verkaufen-Schilder» von Bäumen und Holztafeln krähten, je
nachdem, ob Menschen fortzogen oder neu zuzogen, im Sog der
    Gezeiten von Konjunktur und Mode (Eastwick lag seit Jahrzehnten in
wirtschaftlicher Halbstille und modisch leicht im Abseits), war eine
bombastisch aufgemachte, raffsüchtige Person; fal s sie eine Hexe war,
dann auf einer ganz anderen Wel enlänge als Jane, Alexandra und
Sukie. Es gab einen Ehemann, einen winzigen, pingeligen, pusseligen
Homer Perley, der ihre Forsythienhecke immer bis zu einer
Stoppelreihe heruntertrimmte; das machte den Unterschied. «Der
Kaufvertrag ist schon unterschrieben, in Providence», sagte Jane, das nce erbarmungslos in Alexandras Ohr pressend.
«Und mit behaarten Händen», sagte Alexandra versonnen. Neben
ihrem Gesicht schwamm die leicht zerschrammte, scheckige, oftmals
überlackierte blanke Fläche der hölzernen Küchenschranktür.
Alexandra war sich des atomaren Gestöbers bewußt, des Tobens und
Strudelns unter dieser glatten Fläche – so wie es einem flimmert und
flirrt vor erschöpften Augen. Wie in einer Kristal kugel sah sie, daß sie
ihn kennenlernen und sich in ihn verlieben würde, in diesen Mann,
und daß wenig Gutes dabei herauskommen würde. «Hat er zufällig
auch einen Namen?» fragte sie.
«Es ist idiotisch», sagte Jane Smart. «Marge hat ihn Sukie genannt
und Sukie mir, aber irgend etwas hat ihn sofort wieder aus meinem
Kopf herausgegruselt. Irgendwas mit ‹van› oder ‹von›oder ‹de›.»
«Wie feudal», sagte Alexandra und machte sich ganz weich und
weit, war bereit, genommen zu werden. Ein großer dunkler Europäer,
ein Ausgestoßener, seines alten heraldischen Erbes beraubt, ein
fluchbeladener Wanderer … «Weiß man schon, wann er einzieht?»
«Sie sagte, er hat gesagt, bald. Viel eicht ist er inzwischen schon da!»
Jane klang alarmiert. Alexandra stel te sich vor, wie Janes viel zu dicke
Brauen – zu dick im Verhältnis zu ihrem hageren, adlerscharf
geschnittenen Gesicht – sich hochzogen und zwei Halbkreise bildeten
über den dunklen, empörten Augen, deren Braun immer eine Spur
    blasser war, als man es in
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