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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick
Autoren: John Updike
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Grube, von einer freigelegten, glitschigen Bank
schmieriger weißer Erde, hinter den moosüberwachsenen Resten eines
Schuppens und dem Gerippe eines Vorkriegs-Buicks, des gleichen
Modells – und das war ein unheimlicher Zufal –, wie ihr Vater es
benutzt hatte, wenn er nach Salt Lake City und Denver und
Albuquerque mußte und in die abgeschiedenen Orte, die dazwischen
lagen. Er hatte Arbeitskleidung verkauft, Overalls und Blue jeans, als
sie noch nicht schick und in Mode, noch nicht die Einheitstracht der
Welt waren, das Kostüm, das gegen Vergangenheit imprägniert ist.
Man nahm seine eigenen Rupfensäcke nach Coventry mit, und für
    einen vol en zahlte man der Witwe 12 Dol ar. Wenn die Säcke zu
schwer waren, half sie einem, sie zum Auto zu tragen; wie Alexandra
war sie von kräftiger Statur. Sie war mindestens 65, aber färbte sich
die Haare in einem strahlenden Messington und trug türkisgrüne oder
magentarote Hosenanzüge, die so eng saßen, daß das Fleisch
unterhalb des Gürtels sich zu wurstartigen Rol en quetschte. Das war
hübsch. Alexandra sah für sich eine Botschaft darin: Altwerden
konnte vergnüglich sein, wenn man stabil blieb. Die Witwe prunkte
mit einem hel en Pferdelachen und großen Ohrringen, von denen sie
immer das Messinghaar zurückstrich, damit sie zur Geltung kämen.
Zwei, drei Hähne stelzten in stolzem Zauderschritt durch das hohe
Gras; die Rückseite des schmalen, schindelverkleideten Hauses war
abgeblättert bis aufs nackte graue Holz, wohingegen die Fassade einen
weißen Anstrich hatte. Alexandra kehrte von diesen Ausflügen in
ihrem Subaru, dessen Heck durchsackte unter dem Gewicht der
Tonerde, immer erquickt und angeregt zurück, sie fühlte:
Verschwörung unter Frauen hält die Welt aufrecht.
Ihre Figurinen waren in gewissem Sinn primitiv; Sukie, oder war es
Jane, hatte sie ihre «Duttelchen» genannt – pummeligunförmige
weibliche Körper, zehn oder zwölf Zentimeter groß, oft ohne Gesicht
und ohne Füße, zusammengerol t oder hingekauert in entspannter
Haltung, und unerwartet schwer, wenn man sie in der Hand hielt.
Die Leute schienen sie tröstlich zu finden und holten sie eine nach der
anderen aus den Läden weg, der Verkauf riß nie ab, war im Sommer
stärker, versiegte aber auch im Januar nicht. Alexandra formte sie als
nackte Körper, stach mit einem Zahnstocher den Nabel heraus und
ritzte sorgsam eine kleine Schamlippenspalte ein, aus Protest gegen die
verlogene Glätte der Puppen da unten, mit denen sie als Kind gespielt
hatte. Dann malte sie ihnen Kleider auf, manchmal pastel farbene
Badeanzüge, manchmal anstößig enganliegende Gewänder, mit
Punkten oder Sternchen gemustert oder mit Wel enlinien, wie man in
    Witzzeichnungen das Meer andeutet. Keine glich der anderen, aber
al e waren sie Schwestern. Alexandras Arbeitsweise war von dem
Gefühl diktiert, daß so, wie man jeden Morgen seine Nacktheit mit
Kleidern verhül t, auch die Figurinen behandelt werden müßten: die
Kleider durften nur leicht aufgemalt, nicht fest einmodelliert werden
in diese Urformen aus gerundetem weichem Ton. Sie brannte sie,
immer zwei Dutzend auf einen Schub, in einem kleinen elektrischen
Brennofen aus Schweden, hinter der Küche, in einem Arbeitsraum,
der noch nicht fertig ausgebaut war, aber immerhin einen
Holzfußboden hatte, im Gegensatz zur angrenzenden Abstellkammer,
wo auf der nackten Erde alte Blumentöpfe, Rasenrechen und Hacken,
Gummistiefel und Gartenscheren verwahrt wurden. Alexandra hatte
sich das Arbeiten mit Ton selber beigebracht, machte seit fünf Jahren
Skulpturen, schon vor ihrer Scheidung, zu der diese Kunst, wie die
meisten Manifestationen ihrer sich entfaltenden Persönlichkeit,
beigetragen hatte. Ihre Kinder, besonders Marcy, aber auch Ben und
der kleine Eric, haßten die Duttelchen, hielten sie für unanständig,
und hatten einmal einen ganzen Schub, der gerade abkühlen sol te,
zertrümmert, aus lauter peinvol er Scham. Inzwischen hatten sie sich
mit ihnen abgefunden wie mit defekten Geschwistern. Kinder sind
aus einem Material, das sich weitgehend anpaßt, aber im Ausdruck
ihrer Münder bleiben Verwerfungen, und in ihren Augen härtet sich
ein Glanz der Abwehr.
Auch Jane Smart war der Kunst zugeneigt: der Musik. Sie gab
Klavierstunden, um ihren Unterhalt aufzubessern, und gelegentlich
übernahm sie in den Kirchen der Umgebung die Chorleitung, aber
ihre Liebe galt dem Cello. Seine melancholischen Klänge,
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