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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Irgendwie, fand ich, passte sie nicht zu ihm. »Du kannst hier schlafen«, sagte er. »Es sind genug Betten frei.«
    »Das geht nicht. Priscylla wartet im Hotel auf mich.«
    Für die Dauer eines Atemzuges sah er mich mit seltsamem Ausdruck an. »Priscylla«, wiederholte er nachdenklich. Ich hatte ihm von ihr erzählt, so, wie ich ihm nach und nach alles erzählt hatte, auch die Dinge, die ich eigentlich für mich hatte behalten wollen. In diesem Punkt ähnelte Howard meinem Vater – es war einfach unmöglich, ihm irgendetwas verheimlichen zu wollen.
    »Ich würde sie gerne kennen lernen«, sagte er nach einer Weile. »Wenn du nichts dagegen hast.«
    »Warum sollte ich?«
    Er zuckte mit den Achseln, schnippte seine Asche in den Kamin und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Er musste ebenso müde sein wie ich. Aber es gab noch so viel zu bereden. Howard hatte alles von mir erfahren, was er wissen wollte, aber ich selbst hatte nicht mehr als drei oder vier Fragen stellen können.
    »Sie waren ein guter Freund meines Vaters?«, fragte ich.
    »Du«, murmelte Howard und gähnte erneut. »Vergiss das ›Sie‹, Junge. Und um deine Frage zu beantworten: Ich war der einzige Freund, den dein Vater hatte.« Etwas leiser und mit deutlich veränderter Stimme fügte er hinzu: »So wie er mein einziger Freund war.«
    Für einen Moment kam ich mir fast schäbig vor. Die Frage war so überflüssig wie ein Kropf gewesen. »Woher kennen Sie … woher kennt ihr euch?«, fragte ich.
    »Aus den Staaten.« Howard warf seine Zigarre in den Kamin, sah zu, wie sie prasselnd verbrannte und nahm eine neue aus der ziselierten Silberschachtel neben sich. »Ich habe ihn kennen gelernt, als ich im Zuge meiner Nachforschungen drüben in Amerika war. Vor vielen Jahren schon.« Nachdem Howard sich vorgebeugt und einen brennenden Span aus dem Feuer genommen hatte, um sich seine Zigarre anzuzünden, fuhr er fort: »Er lehrte mich vieles, Junge. Und ich ihn. Keiner von uns wäre heute ohne den anderen noch am Leben.« Er brach ab. Für zwei, drei Sekunden verdüsterten sich seine Züge. Seine Hände spannten sich um die Armlehnen seines Sessels, als wolle er sie zerbrechen. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel.
    »Es tut mir leid«, murmelte ich. »Wir müssen nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst.«
    Howard holte hörbar Luft. »Oh, es geht schon«, sagte er. »Und du hast ein Recht, alles zu erfahren. Du bist schließlich der Sohn deines Vaters. Und sein Erbe.«
    Etwas an der Art, in der er die letzten drei Worte aussprach, gefiel mir nicht.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich.
    »Hast du Geld?«, fragte er anstelle einer direkten Antwort.
    Ich schwieg einen Moment verwirrt, schüttelte aber dann den Kopf. »Nein« gestand ich. »Ein paar Pfund. Um die Wahrheit zu sagen, reicht es nicht einmal, um die Rechnung im WESTMINSTER für Priscylla und mich zu begleichen. Der Kreditbrief, den mir mein Vater gab, ist in Goldspie verbrannt. Und von meinem Bargeld ist nicht mehr viel übrig.«
    Howard nickte, als hätte er nichts anderes erwartet.
    »Ein Grund mehr, gleich morgen zu Dr. Gray zu gehen«, sagte er. »Oder heute. Heute ist ja schon morgen.«
    »Dr. Gray?«
    »Mein Anwalt«, erklärte Howard »Und der deines Vaters. Mach dir keine Sorgen um die Hotelrechnung. Du bist reich, Robert.«
    Ich war nicht sonderlich überrascht. Ich hatte gewusst, dass mein Vater ein vermögender Mann war. Ein sehr vermögender Mann sogar. Aber diese Frage interessierte mich im Moment nur am Rande.
    Verwirrt griff ich nach meinem Glas, nippte an dem Sherry und stellte es behutsam auf den Tisch zurück. Meine Hände zitterten.
    Howard sah mich scharf an. »Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich rasch. »Das heißt, doch. Ich … bin schon okay. Es war nur alles ein bisschen zu viel. Ich begreife nur die Hälfte, fürchte ich.«
    »Ich fürchte, noch sehr viel weniger«, murmelte Howard. »Wenn das, was du mir erzählt hast, alles wirklich so geschehen ist, dann bist du in Gefahr, Junge.«
    Beinahe hätte ich gelacht. »Das ist mir nicht entgangen, Howard«, antwortete ich. »Ich verstehe nur nicht, warum.«
    »Weil du Andaras Sohn bist«, antwortete er in einem Ton, als wäre diese Erklärung die natürlichste der Welt. »Und weil sich der Fluch der Hexen bis in die letzte Generation der Familie fortsetzt.«
    Trotz des prasselnden Feuers im Kamin schien es plötzlich mehrere Grade kälter im Raum zu werden. Ich
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