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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Müdigkeit mit aller Macht. »Ich glaube, es wird Zeit«, sagte ich. »Ich werde mich ein paar Stunden hinlegen und dann zusammen mit Priscylla zurückkommen.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Howard hastig. Für einen ganz kurzen Moment hatte ich das Gefühl, einen fast erschrockenen Ton in seiner Stimme zu hören, aber als ich den Blick hob und ihn ansah, war sein Gesicht so ausdruckslos wie zuvor.
    »Wir treffen uns in der Stadt«, sagte er. »Gleich bei meinem Anwalt. Je eher wir die Formalitäten hinter uns bringen, desto besser. Ich schreibe dir seine Adresse auf. Jeder Droschkenkutscher in der Stadt kann dich zu ihm bringen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich herum, eilte zu seinem Schreibtisch und kritzelte etwas auf einen Zettel.
    Ich steckte ihn ein, ohne einen Blick darauf zu werfen, leerte gegen besseres Wissen mein Sherryglas und nahm meinen Mantel von der Sessellehne. Mir war kalt. Müdigkeit begann sich wie eine bleierne Decke über meine Glieder zu legen.
    »Ich schicke Rowlf«, sagte Howard. »Er kann dir eine Kutsche besorgen. Es gibt einen Droschkenstand, eine knappe Meile von hier.
    Ich hielt ihn mit einem müden Kopfschütteln zurück, warf den Mantel über meine Schultern und ging zur Tür. »Das ist nicht notwendig«, sagte ich. »Ich kann das Stück zu Fuß gehen. Der arme Rowlf muss genauso müde sein wie wir. Und mir tut die frische Luft bestimmt gut.« Howard runzelte die Stirn, aber ich gab ihm keine Gelegenheit, erneut zu widersprechen, sondern öffnete die Tür und lief rasch den Korridor zum Ausgang hinab. Howard folgte mir, ging an mir vorbei, als ich stehen blieb, und öffnete die Tür. Mir fiel auf, dass es außer dem Schloss und der Vorlegekette noch zwei weitere Riegel gab. Und etwas, das wie ein Riegel aussah, aber keiner war …
    Der Schwall eisiger Luft, der mir entgegenschlug, als Howard die Tür öffnete, ließ mich frösteln. Ich zog den Mantel enger um die Schultern, trat einen Schritt aus dem Haus und sah mich mit einer Mischung aus Unbehagen und Erleichterung um.
    Es war nicht mehr dunkel, aber es war auch noch nicht hell. Auf der Straße herrschte diese seltsame Mischung aus allmählich weichender Nacht und flackernder grauer Dämmerung, in der man fast noch weniger sah als bei wirklicher Dunkelheit. Und es war kalt. Sehr kalt.
    »Wann?«, fragte ich.
    Howard zog eine goldene Taschenuhr aus der Weste, klappte den Deckel auf und sah einen Moment schweigend auf das Ziffernblatt. »Jetzt ist es fünf«, murmelte er. »Bis du im Hotel bist und ein wenig ausgeruht hast …« Er sah auf. »Sagen wir drei?«
    »Um drei beim Anwalt«, bestätigte ich. Ich reichte ihm zum Abschied die Hand, wandte mich mit einem letzten, flüchtigen Lächeln um und ging mit schnellen Schritten in die unwirkliche Dämmerung hinein.
    »Ein miserabler Tag zum Angeln.«
    Jerry French fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, gähnte ausgiebig und packte die Angelausrüstung fester, die er in einem schweren Leinensack wie ein Gewehr über der rechten Schulter trug. »Sogar ein ausgesprochen miserabler Tag zum Angeln«, fügte er etwas lauter hinzu, als keiner seiner beiden Begleiter auf seine Bemerkung antwortete.
    »Wie kommst du darauf?«, sagte Glen, ohne ihn anzusehen. »Es ist sogar ein ausgesprochen guter Tag, um Flusskarpfen zu fangen.« Sie hatten das Flussufer erreicht. Glen blieb stehen, warf seine Angelausrüstung mit gekonntem Schwung in das kleine Boot, das als einziges an dem halbverrotteten Pier lag und in der Strömung schaukelte, und sprang mit ausgebreiteten Armen hinterher. Der winzige Kahn legte sich ein wenig auf die Seite, sodass Wasser über seine niedrige Bordwand schwappte und sich in der Bilge sammelte.
    French runzelte missmutig die Stirn. Die Vorstellung, sich dieser halbverrotteten Nussschale anzuvertrauen, erfüllte ihn mit fast körperlichem Unbehagen. Im Stillen verfluchte er sich selbst, dass er so leichtsinnig gewesen war, Glens Angebot anzunehmen. Er hatte es seit jeher für hirnrissig gehalten, vor Sonnenaufgang aufzustehen, sich stundenlang auf dem Fluss durchschütteln zu lassen und vor Kälte zu zittern, nur um Fische zu fangen, die er für ein paar Shilling an jeder Ecke kaufen konnte.
    Glen lächelte aufmunternd und machte eine einladende Geste. »Nun komm schon«, sagte er. »Du wirst sehen, es macht Spaß. Und so lange sich der Nebel nicht hebt, fährt kaum ein Schiff auf dem Fluss. Es kann gar nichts passieren.«
    French war da anderer
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