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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris
Autoren: Judith Merkle-Riley
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erkenne. Dem Bette gegenüber hängt ein Porträt des Königs.«
    »Ah!« rief sie aus. »Dann ist er noch mein!«
    »Ihr habt reichlich Gesellschaft: Damen spielen Instrumente und singen. Andere nähen und plaudern.« Es war eine seltsame Szenerie am späten Abend. Das Gemach erstrahlte im Kerzenlicht, als fürchte sich Madame de Montespan vor der Dunkelheit. Die Damen nickten mit den Köpfen. Plötzlich öffneten sich Madames alte Augen mit ängstlichem Blick – sie schrie die Damen tonlos an, die sogleich wieder zu singen anhoben. Bezahlte Gesellschafterinnen, um mit fröhlichen Tönen die Nacht abzuwehren.
    »Somit werde ich geliebt«, sagte Madame de Montespan.
    »Augenscheinlich«, pflichtete ich ihr bei.
    »Dann muß Euer Plan gelingen. Ich werde keine Zeit verlieren. Mademoiselle des Œillets, ruft meine Kalesche. Ich wünsche vier Lakaien und drei Kutscher in der blausilbernen Livree. Und meine berittene Wache – geschwind! Und zieht Euer bestes Kleid an. Ich habe eine wichtige Besorgung auf dem Lande zu erledigen und benötige Eure Gesellschaft.«
    »Sagt mir«, bat sie, als wir in ihre Kutsche stiegen und uns auf den Samtpolstern niederließen, »woher wußtet Ihr, was ich wünschte, und wie könnt Ihr es so rasch beschaffen?«
    »Das Glas«, sagte ich. »Es zeigte mir Eure und meine Rettung.« Sie nickte, als glaubte sie jedes Wort.
    Wir hielten kurz vor meinem Hause an und waren im Nu von lärmenden Knaben umringt, die die große Equipage und die Bedienten in ihren glänzenden silberblauen Livreen begafften. Die Kutscher scheuchten sie warnend von den kräftigen, tückischen Kutschpferden fort, indes die Lakaien mein Gepäck heraustrugen. Sylvie, die einen Beutel an sich gedrückt hielt, reichte mir den Vogelkäfig, während Mustafa in vollem türkischen Staat die Haustüre abschloß. Als die Kutsche zu den Festungswällen ratterte, überwand Madame de Montespan ihre Abneigung gegen den Vogel gerade genug, um zu fragen: »Sagt – kann diese – Kreatur – sprechen?«
    »Höllenfeuer und Verdammnis«, verkündete der Vogel, während man uns durch die Zollschranke winkte.
    »Ein sonderbarer Wortschatz«, bemerkte Madame de Montespan. Sie zog die Vorhänge zurück, um Licht und Luft hereinzulassen. Die Kutsche schwankte und klapperte, als die Pferde in einen schnellen Trab verfielen und uns ins offene Land trugen.
    »Was würdet Ihr anderes von einem Vogel erwarten, der La Voisin persönlich gekannt hat?« erwiderte ich.
    In meinem Innern aber jubelte mein Herz, er wartet auf dich, und ich dachte an seine schwarzen Augen.

ANMERKUNGEN ZUR GESCHICHTE
    L a Voisin und die Hexen von Paris sind historische Gestalten, deren Leben und Taten in den Aussagen dokumentiert sind, die sie während der berühmten »Affaire des Poisons« unter der Folter gemacht haben. Diese Berichte riefen zahlreiche Kontroversen unter Historikern vieler Länder hervor, welche die Zugehörigkeit beziehungsweise Nichtzugehörigkeit der einen oder anderen Person zu dem Netz aus Gift, Konspiration und Hexerei zu beweisen suchten. Bei einigen Autoren finden sich Belege für den klassischen Hexensabbat, andere widersprechen ihnen. Meines Erachtens handelte es sich bei der Organisation um eine Kreuzung zwischen den »Gesellschaften«, welche die Tagesgeschäfte regelten, und einer Art Franchise-Struktur, und so habe ich sie geschildert.
    Die Beweise gegen Madame de Montespan wurden zusammen mit den Hinweisen auf andere hochstehende Personen in einer versiegelten Truhe verwahrt und vom König eigenhändig verbrannt. Madame de Montespan verlor jedoch nach der »Affaire des Poisons« ein für allemal die Gunst des Königs und starb in der Verbannung vom Hofe. Madame de Maintenon, die neue Favoritin, die ihre Nachfolge antrat, wurde nach dem Tode der Königin heimlich mit dem König vermählt. Ihr Aufstieg leitete eine Herrschaft der Bigotterie, Konformität und verbissenen religiösen Verfolgungen ein.
    Mademoiselle de Fontanges starb kurz nach der Geburt eines Kindes, das ebenfalls starb. Um die Gerüchte zum Schweigen zu bringen, die aus den Aussagen der Zeugen vor der Kommission hervorgingen, daß nämliche Madame de Montespan Romani beauftragt habe, Mademoiselle de Fontanges zu vergiften, stimmte der König einer Autopsie zögernd zu. Die Ärzte, die ohnehin über keine wirksamen Mittel zum Nachweis von Gift verfügten, erklärten, sie sei eines natürlichen Todes gestorben, womit sie eine Menge Ärger verhinderten.
    Comtesse de Soissons
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