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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Vorder-, am Seiten- und am Hintereingang. Das Haus war umzingelt. Ich kletterte über die Mauer in den Nachbargarten und verschwand durch die Gasse – siehst du? Ich habe meine Beinkleider zerrissen.«
    »O Florent.« Als ich ihn so sprechen hörte, blieb mir beinahe das Herz stehen.
    »Und als ich gerade verschwinden wollte, fiel mir etwas ein. Nach allem, was du in jüngster Zeit zu sehen behauptet hast, war es durchaus möglich, daß du selbst zu ihr gehen und versuchen würdest, aus dem Kontrakt freizukommen –«
    »Ich bin gekommen, um sie zu warnen – ich sah, wie man sie nach der Messe ergriff –«
    »Das ist dasselbe. Zwei gleichermaßen törichte Unterfangen, und beide bezeichnend für dich, wenn dich die Panik packt. Du kannst das Schicksal nicht wandeln – o sieh, wir sind gleich zu Hause.«
    Zu Hause traf ich Sylvie beim Packen (offenbar mit Astaroths Einverständnis), während Mustafa in meinem großen Lehnstuhl saß und nörgelte: »Zuviel, Sylvie, zuviel. Wir nehmen kein Fuhrwerk.«
    »Nur zwei kleine Truhen und die Schatulle mit Madames Juwelen. Du mußt Platz lassen für den Vogelkäfig«, erklärte Florent.
    »Aber Madames Kleider –«
    »Lasse alle Sachen der Marquise de Morville zurück, Sylvie. Packe nur mein Linnen ein, meine Hofgewänder und das neue Kleid. Ich muß mein hohes Alter hinter mir lassen.«
    »Sehr wohl, Madame.« Sie packte die Witwenkleidung aus, die spanische Krinoline, die Halskrausen und schwarzen Schleier. Sie schüttelte den Kopf, ein Jammer, schien sie zu denken. Das schöne Geld.
    »Sylvie, ist eine Nachricht von Chevalier de la Motte eingetroffen?«
    »Noch nicht, Monsieur.« Darauf begann Florent, wütend auf und ab zu schreiten.
    »Florent, was fehlt dir?« fragte ich.
    »Nichts, nichts. Komm mit, ich erkläre es dir.« Er führte mich ins Vorzimmer und schloß die Türe. »Meine Pläne wurden zerschlagen, aber Lamotte hat geschworen, sein Bestes zu tun.«
    »Lamotte?«
    »Ja, Lamotte, dessen Gunst mit jedem Tag höher steigt und der mir mehr schuldet, als er erstatten kann. Oh, er hatte Tränen in den Augen, als er versprach – doch Lamottes Tränen sind nie ganz verläßlich! Hätten wir bis Ostern warten können, dann wäre es leicht gewesen. Sein neues Stück wird bei Hofe aufgeführt. Er wird Paris verlassen müssen, um die Vorbereitungen zu beaufsichtigen, und man hat ihm für die Fahrt an den Hof eine Kutsche aus den Stallungen des Palais de Bouillon zur Verfügung gestellt.«
    »Aber das ist vortrefflich. Kutschen mit den Wappen großer Häuser werden weder angehalten noch durchsucht. Sie würden nicht einmal bitten, die Vorhänge zurückzuziehen.«
    »Sehr richtig. Aber wir müssen fort, bevor Madame Montvoisin unter der Folter verhört wird.«
    »Aber es ist Fastenzeit – da werden keine Stücke aufgeführt.«
    »Daher meine Unruhe. Ich habe Lamotte gebeten, sich eine Ausrede einfallen zu lassen.« Doch der Morgen des 13. März dämmerte, und noch immer kam keine Antwort. Der 14. März verging. Am Mittwoch nachmittag, dem 15. März, brachte ein Botenjunge einen Brief.

Mein Freund, ich habe alles versucht, was ich mir ausdenken konnte, aber ich kann nichts tun. Ich habe in der Kathedrale eine Kerze für Euch angezündet. Möge Gott Euch von Eurem Ungemach erlösen.

    »Dieser elende André!« rief Florent, zerknüllte den Brief und warf ihn ins Feuer. »Alles, was sein winziges Hirn sich ausdenken konnte! Kurzum, gar nichts!«
    Er wütete noch, als Mademoiselle des Œillets in Reisekleidung hereingeführt wurde. Sie setzte ihre Maske ab, während Sylvie ihr den Umhang abnahm. »Madame de Montespan ist soeben vom Hofe in ihr Haus in Vaugirard zurückgekehrt. Wir sind in größter Eile gefahren, sobald wir die Kunde von La Voisins Verhaftung vernahmen.«
    Ich gab mich ruhig. »Und was wünscht sie von mir?«
    »Sie benötigt eine Lesung.« Sylvie verließ das Zimmer.
    »Über ihre Zukunft?«
    »Ja – und sie muß etwas finden, was verlorenging.«
    »Worum handelt es sich? Ich habe nicht mit allen verlorenen Gegenständen Glück. Geschmeide, Leichen, da gelingt es mir am besten.«
    »Es handelt sich um, äh, Papiere. Vielleicht ein Buch. Madame muß wissen, wo sie sind.« La Voisins Aufzeichnungen. Sie wollte wissen, ob die Polizei sie hatte.
    »Ich habe im Augenblick keine Zeit, um nach Vaugirard zu gehen. Morgen vielleicht –« Florent, der am Fuße der Treppe stand, suchte meinen Blick.
    »Madame de Morville, Ihr müßt diese Arbeit unverzüglich
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