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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris
Autoren: Judith Merkle-Riley
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verrichten«, rief Florent mit falscher Munterkeit. »Es geht nicht an, eine große Dame warten zu lassen. Kommt einen Augenblick mit mir, ich werde Euch tausend Gründe für die Erfüllung Eurer Pflicht nennen!« Mademoiselle des Œillets lächelte. Selbst in einer verzweifelten Lage sonnte sie sich darin, die Vertraute der mächtigen La Montespan zu sein.
    »Geneviève«, flüsterte Florent, »gehe sogleich. Sage ihr, daß du die Aufzeichnungen über ihren Umgang mit der Schattenkönigin besorgen wirst, wenn sie dir dafür einen Gefallen tut – daß die Kutsche dich, dein Gepäck und deine Bedienten aus Paris schafft.«
    »Aber – das kann ich nicht – sie würde Betrug wittern.«
    »Es ist kein Betrug, Geneviève. Ich habe nicht nur den Band mit P genommen, sondern auch den mit M.«
    »Den mit M? Du hast ihn? Was um alles in der Welt hat dich auf diese Idee gebracht, da wir gerade jetzt ihre Hilfe brauchen?«
    »Astaroth«, sagte er schlicht.
    »Astaroth?«
    »Geneviève, halte dich nicht auf. Eines aber sage ich dir: Obwohl Sylvie an allen Ecken horcht, ist sie nicht immer scharfsinnig. Man kann sie täuschen. Aber dieser Astaroth, der ist ein schlauer Teufel. Ich habe sogleich erkannt, worauf er hinauswollte.«
    »Was soll ich tun?«
    »Bitte Madame de Montespan, dir einen vertrauenswürdigen Mittelsmann mitzuschicken, oder besser noch, sich selbst zur Herberge Saint-Pierre zu begeben, die sich zwei Meilen von Paris an der Straße nach Calais befindet. Dort werde sie einen Mann antreffen, der ihre Papiere hat, und sie könne sie, wenn sie will, eigenhändig verbrennen. Lasse sie auf keinen Fall denken, daß du sie hast.«
    »Ich verstehe. Ich mache es, wie du gesagt hast.«
    »Gut. Ich reise unverzüglich ab, mit Gilles und meinem Diener, dem Gepäck der Bedienten und der Schatulle mit dem Schmuck. Mustafa und Sylvie bleiben bei dir. Merke dir, Herberge Saint-Pierre. Ich warte auf dich, einerlei, wie lange es dauert.«
    Ich begleitete Mademoiselle des Œillets zur Residenz in Vaugirard und wurde sogleich zu Madame de Montespan in den grünen Salon geführt. Sie schritt händeringend vor einem großen Wandbehang, der Joseph und seine Brüder zeigte, auf und ab. Aus ihrer gewöhnlich makellosen Coiffure hatten sich Strähnen gelöst, die ihr in die Stirne fielen. Ihre Kleider waren staubig von der Reise. Sie hatte die Hände so fest verkrampft, daß ich fürchtete, ihre Ringe würden ihr in die Finger schneiden.
    »Madame«, sagte ich und verneigte mich tief. »Ich glaube, ich kann Euer Ungemach lindern. Ihr sucht, äh, verlorene Papiere?«
    »Ja – ganz besondere – es heißt, Ihr könnt verlorene Gegenstände auffinden. Ich muß wissen – wo etwas ist, das verlorenging –«
    »Könnte es sich bei diesen Papieren um La Voisins Rechnungsbücher handeln?«
    Sie trat nahe an mich heran und packte mich grimmig an den Schultern. »Ja«, flüsterte sie.
    »Ich könnte sie Euch unter bestimmten Bedingungen verschaffen«, sagte ich leise.
    »Ich gehe selbst«, flüsterte sie, als sie mich angehört hatte. »Ich kann es nicht riskieren, daß sie in andere Hände fallen.« Sie wirkte jetzt ruhiger, ihre Augen blickten berechnend. »Ihr seid schlau, Madame de Morville.«
    »Nein, ich habe nur Glück mit meinen, äh, Verbindungen. Und ich bin von dem starken Wunsche beseelt, mich auf dem Lande zur Ruhe zu setzen. Ich gedenke ein Häuschen zu erwerben und Bienen zu züchten.« Sollte sie annehmen, meine Verbindungen seien die Amtleute, welche die Beweise unter Verschluß hielten. Sie verkauften dergleichen oft genug. Madame de Montespan lachte, es war ein kurzer, scharfer Laut.
    »Ich glaube, Ihr liebt die Bienenzucht ebenso wie ich, Madame de Morville. Aber auf alle Fälle wünsche ich Euch Glück für Eure wahren Pläne, wie immer sie beschaffen sein mögen. Und – eines möchte ich noch wissen.«
    »Eure Zukunft?«
    »Meinen Tod. Wie werde ich sterben?«
    »Dafür verlange ich stets Bezahlung im voraus.«
    Ich setzte mich mit Bangen vor meine Wasservase, denn wenn ihr Tod sehr schmerzlich wäre, würde sie die Papiere vielleicht nicht mehr haben wollen. Aber ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Sie wirkte sehr alt in dem Bild, das emporstieg.
    »Ihr seid sehr alt«, sagte ich. Ihr berühmter Teint war verwüstet wie zerknülltes Papier, das Kinder nach dem Spiel weggeworfen hatten. Sie schien in einem großen Himmelbett zu schlummern.
    »Ihr liegt zu Bett in einem Gemach eines Schlosses, das ich nicht
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