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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helga Glaesener
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sich alles zusammengereimt und Julius erklärt hatte. Heinrich, Reinhard, die Nonne, das Kind … Offenbar hatte der junge Freiherr ein Gesuch zum Heiligen Stuhl gesandt, und von Pater Ignatius war Nachricht gekommen, dass es positiv entschieden worden war.
    »Das stimmt«, flüsterte Sophie. »Edith hat mir den Brief gezeigt – er trug das Siegel des Papstes. Und Valeries und Heinrichs Namen wurden genannt.«
    Marx seufzte tief auf. Ein Teil von ihm hatte wohl immer noch gezweifelt. »Wenn der Junge nur zu mir gekommen wäre, statt zu Conrad zu rennen! Natürlich hatte sein Cousin vor dem Vater keine Geheimnisse.«
    »Sicher wollte Heinrich abwarten, ob auch wirklich alles zu seinen und Valeries Gunsten entschieden würde. Oder er setzte auf einen verzauberten Moment der Enthüllung.«
    »Was?«
    »So ist man doch, wenn man jung ist. Die ganze Familie ist versammelt und man überrascht sie mit einer wunderschönen Braut und der Nachricht, dass es eine Hochzeit geben wird.« Sophie konnte sich so einen romantischen Augenblick durchaus vorstellen. »Und dann ist es doch klar, dass er sich nicht an dich wandte. Du warst ja darauf aus, ihn zu einem Streiter für deinen großartigen Wallenstein zu machen.«
    Marx schnitt ihr eine Grimasse. »Keine Ahnung, warum mir das so nachhängt. Ich war der Meinung – und bin es immer noch –, dass Wallenstein es geschafft hätte, den Krieg in Deutschland zu beenden. Er hat den Frieden mit den Dänen ausgehandelt und wollte mit den Schweden entsprechend verfahren. Außerdem hatte er klar erkannt, was für Folgen es haben würde, wenn man den Frieden mit den Protestanten brechen und sie brüskieren und enteignen würde. Aber als Mensch ist er furchtbar. Ein kleinkarierter Emporkömmling, der die böhmischen Rebellen hingerichtet und die Mecklenburger Herzöge aus dem Land gejagt hat. Statt Milde walten zu lassen, wollte er sein neue Macht auskosten und dem Adel zeigen, wer das Sagen hat. Natürlich kann ich ihn nicht leiden! So wenig wie Tilly, der seine Horden über Leichen gehen lässt.«
    »Warum hast du Heinrich dann mit nach Magdeburg genommen?«
    »Damit er lernt zu kämpfen. Weißt du, wer der wahre Feind unseres Landes ist? Die Söldnertruppen! Dieser Krieg wird auch deshalb nicht beendet, weil niemand sich traut, dieses Pack sich selbst zu überlassen. Die Kerle haben nichts gelernt als Morden und Brandschatzen. Sie sind zu Bestien verkommen, zu einer Geißel, die man nicht mehr bändigen kann. Um Heinrichs Besitz zu erhalten, reichte es nicht mehr, dass er eine akkurate Buchhaltung beherrschte und Kenntnisse über den Anbau von Feldfrüchten besaß. Ich fand, er müsse lernen, sein Eigentum und seine Leute zu verteidigen. Und das geschieht nur im Mündungsfeuer.«
    Erneut lösten sich Steine, dieses Mal von der Decke. Marx schaute stirnrunzelnd hinauf. »Sophie, ich fürchte, Julius wird nicht rechtzeitig kommen.«
    »Warum?«
    »Weil er den Herzog von Jülich überzeugen muss zu handeln. Und das wird Zeit kosten, wenn es überhaupt gelingt.«
    »Dann hättest du dich nicht hierherwagen dürfen!«
    »Was für ein sonderbarer Gedanke«, sagte er. Die Kerze erlosch, und dieses Mal unternahm er keinen Versuch mehr, sie zu entzünden. Es war auch nicht nötig. Sie war ihm so nah, dass sie spürte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Alles war gut, so lange er bei ihr war.
    Sie scheute sich, die Frage zu stellen, die ihr noch auf der Seele brannte. »Du hast den Müller und seine Familie nicht umgebracht?«, fragte sie in die Dunkelheit.
    »Gott nein, das war Marsilius. Er wollte den Müller zum Schweigen bringen und zugleich die Bevölkerung gegen mich aufhetzen, damit sie Jagd auf mich macht.«
    Schaudernd dachte Sophie an den Abend, als Marsilius mit Dirk und Kaspar von der Mühle zurückgekehrt war. Er hatte den Mord also selbst begangen oder befohlen und zugesehen, wie der arme kleine Junge den Spieß durch den Hals bekam. Aber er war nicht so skrupellos gewesen, dass ihn das Verbrechen kaltgelassen hätte. So rasch wurde man nicht zum Kindesmörder.
    »Und wie bist du aus dem Haus entkommen?«
    »Was?«
    »Das Haus dieses Bauern, in dem du angeblich verbranntest. Oder hast du gar wirklich ein Bündnis mit dem Bösen geschlossen?« Es sollte wie ein Scherz klingen, doch es gab nichts zu scherzen. Marx hatte halb wahnsinnig vor Schmerz hier unten im Verlies gelegen und hätte wahrscheinlich mit jedermann einen Vertrag geschlossen, um seiner Not zu entkommen –
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