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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helga Glaesener
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einige Stühle, und nach kurzer Zeit stand Jacob Ynons im Raum, und mit ihm einige verwirrte Knechte.
    Ynons setzte der Dienerschaft im Namen und mit der Befugnis des Grafen von Jülich auseinander, was sie wissen mussten, dann befahl er ihnen, Reinhard in den Keller zu sperren. »Wir müssen uns beeilen«, drängte Julius, als er mit dem gräflichen Juristen endlich wieder allein war, »es hat alles schon viel zu lange gedauert.«
    »Natürlich«, erwiderte Ynons. »Aber zunächst müssen noch einige Dinge geklärt werden. Ihr versteht doch, wie heikel diese Angelegenheit ist. Die Jesuiten sind darin verwickelt, ein Freiherr, gar eine Hexe …«
    »Aber es liegt doch alles auf der Hand.«
    »Im Grunde, mein Bester, nur im Grunde. Noch gibt es kein öffentliches Geständnis. Und auch die Bestätigung des Heiligen Stuhls, dass es wirklichen den Dispens gegeben hat, steht aus.«
    »Die zu bekommen wird Wochen dauern!«
    »Wenn es um Jesuiten geht«, erklärte der Jurist, plötzlich sehr von oben herab, »die in des Kaisers Gunst höher als jeder Reichsfürst stehen, dann kann es gar keine zu umfassende Gründlichkeit geben. Da stimmt Ihr mir doch sicher zu.«
    Dies war der Moment, in dem Julius sich und seine Zunft mit den Augen von Marx sah. Ihn ergriff eine bittere Wut.

   er Lärm war ohrenbetäubend. Schutt und Steine prasselten herab – nicht nur bei dem Gitter, sondern von der gesamten Wand, in die es eingemauert gewesen war. Sophie starrte hustend durch Rauch und Staub zu dem Loch, das sich auftat. Sie sah, wie Marx sich durch den Steinhagel und dann weiter zu ihr an den Rand des Verlieses rollte. Immer noch kamen Steine herab, und schließlich lösten sich Felsbrocken weit oben von der Decke.
    Marx warf sich auf sie, sie zog die Decke über ihn und beide lauschten, an die Wand gepresst, dem Lärm der Steine, die auf dem Felsboden aufschlugen. Die Kerze erlosch. Marx schrie zwei- oder dreimal kurz auf. Dann war es vorbei. Er wälzte sich zur Seite, und Sophie richtete sich auf. Sie spuckte den Staub aus.
    »Himmel!«, hörte sie Marx krächzen. Er brauchte eine Weile, um die Kerze, die er beim Sprung ins Verlies mit sich gerissen hatte, erneut zu entzünden. Langsam ließ er das Licht über die Schutthaufen streichen und versuchte abzuschätzen, was die Explosion gebracht hatte. Das nahm Zeit in Anspruch, denn die Schwaden verzogen sich nur langsam. Es stank nach Verbranntem und Staub. Schließlich lehnte er sich zurück und legte den Arm um sie. »Das ist nicht gut.«
    Sophie nickte. Der Ausgang zum Tunnel wurde durch Steinbrocken verdeckt. Viele davon waren riesig. Aus den Trümmern ragte eine Eisenstange wie der Arm eines Ertrinkenden. »Wir können es nicht fortschaffen, nicht wahr?«
    Statt zu antworten, stand Marx auf. Sie sah, wie er sich auf die Lippen biss und mit dem verkrüppelten Handballen gegen eine Stelle am Brustkorb drückte. Mühsam rappelte sie sich ebenfalls hoch. Sie räumten gemeinsam Schutt beiseite, aber als sie zu den größeren Brocken gelangten, wurde offensichtlich, dass sie eingeschlossen waren – die Steine ließen sich keinen Zoll weit bewegen.
    »Glaubst du, sie haben oben den Lärm gehört?«
    Marx lächelte müde. »Nur wenn der Hexenturm über uns zusammengestürzt ist. Das Mistding hat Mauern, die jedes Geräusch schlucken.«
    »Vielleicht ist Edith beschäftigt. Wenn sie uns beobachtet hätte, dann wäre sie bereits gekommen, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht, ob das unsere größte Sorge ist, mein Herz.«
    Sophie betrachtete den Mann an ihrer Seite. Ihr Herz wurde heiß vor Liebe und gleichzeitig eng vor Verzweiflung. Maria, Erbarmungsvolle, betete sie still, bitte lass uns einfach hier sterben, gemeinsam, in Frieden und ohne Schmerzen. Aber nein, das durfte sie sich nicht wünschen. Oben, in der Wiege in ihrer alten Kammer, lag ja Henriette und war ihrem Schicksal ausgeliefert.
    Sie setzten sich wieder auf den Boden. Marx küsste sie auf die Schläfe und murmelte, mit einem Lächeln in der Stimme: »Meine Güte, bist du schmutzig.« Der nächste Kuss wurde leidenschaftlicher. Und schließlich liebten sie einander. Marx jaulte zwischendurch vor Schmerz, aber es tat so gut, einander zu spüren, es war so tröstlich. Es war alles, was ihnen blieb.
    »Du bist verwundet?«, wisperte Sophie, als sie sich wieder voneinander lösten. Sie strich über seine Seite.
    »Nichts Schlimmes. Ich war bei Julius, und er …« Marx lachte kurz auf. Dann begann er zu erzählen, was er
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