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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Autoren: Sandra Worth
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dann erzürnt gewesen, als er gehört hatte, dass John Edward und Dickon in Pontefract hatte entkommen lassen. Im Lancastrianer-Lager wurde von Verrat gemunkelt. Ich hingegen verstand John. Er hätte nicht anders handeln können. Und mir blieb wieder einmal nichts, als zu warten. Mir schien, als wartete ich schon mein ganzes Leben auf Nachrichten, die unweigerlich eintreffen würden. Die Angst vor der bevorstehenden Schlacht zwischen Lancaster und York ließ meine Tage endlos erscheinen wie die stürmische See, und ich stürzte mich in die Arbeit, denn einzig die stupide Einförmigkeit konnte meine quälenden Gedanken eindämmen.
    Zwar mussten wir erstmals weniger sparen denn je, doch aus Gewohnheit prüfte ich unsere Haushaltsbücher weiterhin sorgfältig und überwachte die täglichen Ausgaben, die Mahlzeiten und die Kosten für die Helfer, die wir außer der Reihe anheuerten. Es war, als könnte ich auf diese Weise jene Tage zurückholen, in denen es neben steter Sorge auch Hoffnung gegeben hatte. Genau wie in den Zeiten großer Armut stellte ich unsere Ausgaben infrage und überlegte, wo gespart werden konnte. Mit Einsetzen der Dämmerung zog ich mich an mein Betpult zurück und betete für John. Und wenn mich die Müdigkeit einholte oder die Verzweiflung übermannte, erinnerte ich mich an alles Schöne, das mir vergönnt war, und dankte Gott für die kostbaren Momente. So verstrichen die Tage.
    Eines kalten Apriltages, eine Woche vor unserem Hochzeitstag, als der Schnee erst zur Hälfte geschmolzen war, sah ich einen einsamen Reiter den Weg heraufgaloppiert kommen.
    »Bring ihn doch bitte zu mir ins Sonnenzimmer!«, bat ich Agnes, die in meinem Zimmer Staub wischte.
    »Sehr wohl, Mylady.«
    Ich bekreuzigte mich, murmelte ein Gebet und wappnete mich für das, was kommen würde. Nachdem ich Johns alten Umhang vom Haken genommen hatte, lief ich hinunter ins Sonnenzimmer. Dort setzte ich mich hin, nahm den Umhang in den Schoß und ermahnte meine Finger, nicht zu zittern, während ich die Sticknadel durch den Stoff stach wie schon unzählige Male zuvor.
    »Mylady.«
    Ich blickte auf. Tom Gower stand in der offenen Tür. Ich merkte, wie mir der Umhang aus den Fingern glitt, als ich mühsam aufstand und eine Hand auf die Armlehne stützte, weil meine Knie schwach wurden. Tom trat vor, und ich sah, dass er mir einen Brief hinhielt. Ich hatte mich geirrt! Er ist nicht gekommen, um mir eine Todesnachricht zu überbringen, dachte ich. Er bringt mir Nachricht von John! Ich lächelte strahlend.
    »Tom, mein lieber Tom, ich bitte dich, erhebe dich! Für einen Moment dachte ich … Ach, wen kümmert, was ich dachte!« Ich nahm den Brief und drückte ihn an meinen Busen. Dann erst bemerkte ich, dass Tom mein Lächeln nicht erwiderte und seine Miene so ernst und blass war wie in jenem eisigen Augenblick, als ich seine Stimme gehört hatte. »Tom, wie steht es im Krieg für die Lancastrianer?«
    Er zögerte, bevor er antwortete: »Ich weiß es nicht, Mylady. Nachdem ich Mylord half, die Rüstung anzulegen, bat er mich zu gehen und Euch diese Nachricht und … diesen Ring zu bringen. Da hatte die Schlacht noch nicht begonnen.«
    Warum? Die Frage traf mich wie ein Dolchstoß. Gower hätte an Johns Seite kämpfen müssen.
    Ich schrak aus meinen Gedanken und sah, wie Gower mit steifen Fingern in sein Wams griff. Er hatte sichtlich Mühe, seine Hand zu bewegen. Als ich in sein Gesicht blickte, erkannte ich, dass er mir etwas verschwieg. Er holte einen Samtbeutel hervor und reichte ihn mir. Darin lag der Ring, den John Jahre zuvor von Dickon of Gloucester erhalten hatte, als er erstmals nach Middleham gekommen war. Ein bohrender Schmerz fuhr mir durch die Brust. Es war John gewesen, der Dickon gelehrt hatte, wie er ein Schwert führen musste. Nun standen die beiden Cousins sich als Feinde gegenüber, denn ein jeder kämpfte auf der Seite seines Bruders.
    Ich starrte auf den Stein, wusste ich doch zu gut, was John mir hiermit mitteilen wollte. Falls ein Unglück geschieht, bring dies zu Dickon! Mit der Rückgabe des Ringes an seinen Besitzer wäre die Schuld Dickons gegenüber John beglichen. Mir war, als stünde ich außerhalb meiner selbst und betrachtete die Szene gleichsam von oben. Im schwindenden Tageslicht funkelte der Stein dunkelblau wie Johns Augen; er blinkte mit demselben Licht, wie ich es in ihnen so oft gesehen hatte.
    Mein Herz hämmerte, ich rang um Fassung und wandte mich ab. Die Zeit ist gekommen, meine eigene Schuld
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