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Die Herrin der Flammen

Titel: Die Herrin der Flammen
Autoren: Robert Asprin
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spritzte an der Säule vorbei, als der Hohepriester, dicht gefolgt vom Prinzen und der Beysa, durch den Audienzsaal stürmte. »Sie sagen, daß Dyareela Freistatt bestraft, weil wir uns vermählen wollen.« Shupanseas Hand in Kadakithis’ verkrampfte sich. »Sie sagen, daß Eure Dämonengöttin erzürnt ist, weil die Stadt Mutter Bey anerkannt hat!«
    »Meine Göttin!« Sowohl Prinz wie Beysa wichen unwillkürlich zurück, als Molin zu ihnen herumwirbelte. Er sah mit dem flatternden Umhang und dem Staub, der aus seinem zerzausten Haar stob, wie der Sturmgott höchstpersönlich aus. Es fiel Lalo schwer, in ihm den geschniegelten Priester zu sehen, der ihm vor so langer Zeit seinen ersten großen Auftrag erteilt hatte. Aber auch er selbst war in den vergangenen Jahren ein anderer geworden. Und Freistatt hatte sich gleichfalls verändert.
    »Dyareela ist keine rankanische Gottheit, genausowenig wie eine ilsigische!« Molin zog Lalo unsanft hinter der Säule hervor. »Sagt Ihr es ihnen – Ihr seid ein Winder! Ist Daryeela eine Eurer Göttinnen?«
    Lalo starrte ihn an. Er war eher verblüfft, weil der Priester dieses rankanische Schimpfwort benutzt hatte, denn gekränkt. Die achtlose Wortwahl war der beste Beweis, daß auch der Priester verwirrt und verängstigt war.
    »Die gute Göttin war schon hier, bevor die Ilsiger kamen.« Er nahm seine Maske ab und fuhr fort: »Sie herrscht über Ödlande und die armen Teufel, die dort hausen. Aber gewöhnlich beten die Menschen nicht zu ihr.«
    Kadakithis horchte auf. »Gewöhnlich? Wann beten sie dann zu ihr?«
    Lalo hielt den Blick auf die gemusterten Fliesen gesenkt. Seine Haut prickelte, als könnte allein darüber zu reden, bereits das Fieber herbeiführen. »Ich war ein kleiner Junge, als die letzte große Seuche Freistatt heimsuchte«, sagte er leise. »Damals haben wir zu ihr gebetet. Sie bringt das Fieber. Sie ist das Fieber, und sie heilt es…«
    »Aberglaube der Winder«, begann der Prinz, doch es klang nicht überzeugt.
    Molin Fackelhalter seufzte. »Ich möchte diese einheimischen Kulte nicht gern anerkennen, aber es könnte sich als notwendig erweisen. Ihr entsinnt Euch wohl nicht an Einzelheiten der Zeremonien?« Seine Hand verkrampfte sich fast um Lalos Schulter.
    »Fragt die Ilspriester!« Lalo befreite sich mit einem Schulterzucken. »Ich war noch ein Kind, und meine Mutter ließ mich aus Angst vor den vielen Menschen nicht aus dem Haus. Es soll ein großes Opfer gegeben haben. Sie zerrten den Kadaver aus der Stadt, um die Dämonen wegzulocken, und verbrannten die Toten und ihre Habe auf einem gewaltigen Scheiterhaufen. Ich erinnere mich, daß Männer und Frauen engumschlungen auf den Straßen gelegen und daß Blutstropfen von dem Opfer noch frisch auf ihrer Stirn geglänzt haben.«
    Kadakithis schauderte, aber Shupansea sagte, sie habe von ähnlichen Gebräuchen in den Dörfern ihres eigenen Reiches gehört.
    »Das mag sein«, sagte der Hohepriester abwehrend, »aber die theologischen Auswirkungen sind fatal, vor allem im Moment. Prinz, ich fürchte, daß Eure offizielle Vermählung verschoben werden muß, bis sich die Dinge beruhigt haben.«
    »Aber Ihr müßt sofort etwas unternehmen!« rief die Beysa besorgt. »Sonst opfern sie meine Leute statt Hengste oder Stiere!«
    Molin Fackelhalters Miene war anzumerken, wie sehr er befürchtete, das von ihm so behutsam errichtete Gebilde gegenseitigen Vertrauens würde einstürzen. Wortlos stapfte er davon. Shupansea und Kadakithis folgten ihm. Lalo starrte ihnen nach.
    Schließlich wandte er sich wieder dem Wandgemälde zu, an dem er gearbeitet hatte. Vor dem Hintergrund des blauen Meeres streckte Mutter Bey dem Sturmgott die Hand entgegen. Es war kein Zufall, daß der Gott wie Kadakithis aussah und die Göttin die Haltung und Kleidung Shupanseas hatte. Doch Lalo hatte diesmal nach seiner Vorstellung und aus dem Gedächtnis gearbeitet, er war klug genug, nicht die Seelen dieser beiden Modelle zu malen, daß alle sie sehen könnten.
    Von der Ausführung her war das Werk gekonnt, doch die Gestalten wirkten leblos. Einen Augenblick fragte sich Lalo, was ein Hauch seines Atems bewirken würde. Doch da erinnerte er sich an die Kriege zwischen Vashanka und Ils, und er schauderte. Hastig zog er die Maske wieder über Mund und Nase. Das letzte, was Freistatt brauchen konnte, während Dyareela durch die Straßen pirschte, wären zwei neue Gottheiten, die mit allen Vorurteilen und Fehlern der Originale in der Stadt umher
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