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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens
Autoren: Bernard Cornwell
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kannte dieses Pferd, und ich wusste, dass es besser kämpfte als mancher Krieger. Witnere würde
     mein Pferd angreifen, wenn er Gelegenheit dazu bekam, und er würde auch mich selbst angreifen. Daher wollte ich Ivarr als
     Erstes aus dem Sattel werfen. Ivarr ließ mich nicht aus den Augen. Ich glaube, er wollte mich angreifen lassen, denn er ließ
     Witnere keinen Zügel, doch statt auf ihn zuzureiten, wandte ich mich zu seinem Schildwall. «Ivarr ist ein Dieb», brüllte ich
     seinen Leuten zu, «der vor den Schotten davongelaufen ist! Er ist gerannt wie ein geprügelter Hund! Er hat geheult wie ein
     Kind, als wir ihn aufgelesen haben!» Ich lachte und wandte meine Augen nicht von Ivarrs Schildwall ab. «Er hat geheult, weil
     er verletzt war», rief ich, «und in Schottland nennen sie ihn seitdem nur noch Ivarr den Schwächling.» Aus dem Augenwinkel
     sah ich, dass der Köder gewirkt hatte und Ivarr auf Witnere heranwirbelte. «Er ist ein Dieb!», rief ich wieder. «Und ein Feigling!»
     Und während ich diese letzte Beleidigung brüllte, drückte ich meinem Pferd die Knie in die Flanken und hob meinen Schild.
     Witnere schien nur aus dem Weißen in seinen Augen und seinen weißen Zähnen zu bestehen, als er mit seinen gewaltigen Hufen
     Erdklumpen hochschleudernd auf mich zugaloppierte, |463| und als er sehr nah war, rief ich seinen Namen. «Witnere! Witnere!» Ich wusste, dass Ivarr ihn wahrscheinlich anders nannte,
     doch vielleicht erinnerte sich der Hengst an diesen Namen, oder er erinnerte sich an mich, denn er stellte die Ohren auf und
     verlangsamte seinen Schritt, während ich mein Pferd geradewegs auf ihn zutrieb.
    Ich benutzte den Schild als Waffe. Ich stieß ihn heftig gegen Ivarr, und zugleich richtete ich mich leicht im rechten Steigbügel
     auf. Ivarr mühte sich, Witnere von mir wegzubringen, doch der große Hengst war verwirrt und aus dem Tritt geraten. Ich rammte
     meinen Schild gegen Ivarrs und warf mich mit meinem gesamten Gewicht auf meinen Gegner, um ihn rückwärts zu Fall zu bringen.
     Ich nahm dabei die Gefahr in Kauf, dass ich selbst fallen und er im Sattel bleiben würde, aber ich wagte es nicht, meinen
     Schild oder mein Schwert loszulassen, um ihn zu packen. Ich hoffte einfach, dass ich ihn mit meinem Gewicht aus dem Sattel
     werfen konnte. «Witnere!», rief ich erneut, und der Hengst drehte sich mir halb zu, und diese Bewegung zusammen mit meinem
     Schwung warfen Ivarr vom Pferd. Er landete auf seiner rechten Seite, und ich selbst stürzte zwischen den beiden Pferden zu
     Boden. Ich fiel hart, und mein eigener Hengst versetzte mir versehentlich einen Tritt, der mich gegen Witneres Hinterläufe
     rollen ließ. Ich rappelte mich auf, schlug Witnere die flache Seite meines Schwertes aufs Hinterteil, um ihn zu vertreiben,
     und duckte mich fast im selben Moment vor Ivarrs Angriff hinter meinen Schild. Er war nach dem Sturz schneller wieder auf
     die Füße gekommen als ich, und sein Schwert fuhr krachend gegen meinen Schild. Er hatte wohl erwartet, dass ich diesem Hieb
     ausweichen würde, doch ich fing ihn einfach ab. Durch meinen linken Arm, der schon von dem Speer in Dunholm verwundet war,
     fuhr der Schmerz, aber ich war |464| größer, schwerer und kräftiger als Ivarr, und ich drückte mich gegen meinen Schild, um ihn zurückzudrängen.
    Er wusste, dass er unterliegen würde. Er war alt genug, um mein Vater zu sein, und seine Verletzungen aus früheren Schlachten
     machten ihn langsamer, doch er war immer noch ein Lothbrok, und die Lothbroks lernen das Kämpfen von Kindesbeinen an. Mit
     einem Knurren sprang Ivarr auf mich zu, täuschte mit seinem Schwert einen Hieb von oben an, um dann von unten zuzustoßen,
     und ich machte einen Ausweichschritt, wehrte seinen Stoß ab, ließ seine Hiebe auf meinen Schild niedergehen und unternahm
     nicht einmal den Versuch eines Gegenangriffs. Stattdessen verspottete ich ihn. Ich nannte ihn einen jämmerlichen alten Mann.
     «Ich habe Euren Onkel getötet», höhnte ich, «und er hat nicht viel besser gekämpft als Ihr. Und wenn Ihr tot seid, alter Mann,
     dann schlitze ich die Ratte auf, die Ihr Euren Sohn nennt. Und seine Leiche verfüttere ich an die Raben. Ist das alles, was
     Ihr zu bieten habt?»
    Er hatte versucht, sich mit seinem Schwert auf mich zu stürzen, doch er hatte nicht aufgepasst, war auf dem nassen Gras ausgerutscht,
     kniete nun mit einem Bein und hatte seine Deckung verloren, weil er sich mit seiner Schwerthand abstützen
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