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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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wegnehmen konnte. Sie hatte ihm das von vornherein gesagt. »Das kam nicht in Frage. Selbst wenn ich Russell gehaßt hätte, Chloe liebte ihn von ganzem Herzen. Und offen gestanden haßte ich ihn nicht nur nicht, ich liebte ihn. Auch jetzt, seit es Jonathan gab. Wegzugehen, das war niemals eine Möglichkeit .«
    Sie sagte zu Jonathan, daß sie sich jetzt schuldig fühle, schuldig nicht nur wegen ihrer Gefühle ihm gegenüber, sondern auch wegen Russell. »Jonathan hatte mir immer vorhergesagt, daß mir in der Minute, in der unsere Beziehung zu Ende war und ich Russell wieder als Gefährten, Ehemann, Liebhaber und Vater benötigte, einfallen würde, daß er nicht vollkommen sei .«
    »Haben Sie denn Russell für vollkommen gehalten ?« frage ich.
    »Nein, natürlich nicht, aber Jonathan hatte recht damit; er wußte, daß er meine Ehe insofern stabilisierte, als er mich davor bewahrte, die Frau zu sein, die zuviel braucht, so wie er Russell davor bewahrte, der unerreichbare Mann zu sein. Solange Jonathan da war — und das wußte er —, liefen die Dinge glatt für mich. Nicht richtig war Jonathans Vermutung, daß ich Russell nicht mehr geliebt hatte und dann Jonathan kennenlernte, verstehen Sie, daß meine Affäre aus einem brennenden Bedürfnis heraus entstanden sei, mehr Liebe oder sonst etwas zu bekommen. Ich kann nicht sagen, was genau in meinem Unbewußten damals vor sich gegangen war, aber ich weiß, ich benötigte keinen zweiten Mann. Überhaupt ist das ein fragwürdiges Argument, denn wer könnte nicht etwas mehr Liebe gebrauchen? Wer ist so befriedigt, daß schon der bloße Gedanke an einen wundervollen Orgasmus völlig ausgeschlossen ist? Es ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei — war ich auf Jonathan abgefahren, oder war ich innerlich bereit, auf jemand abzufahren, und dann war Jonathan erschienen? Ich denke, das erste stimmt; und ich glaube nicht, daß meine Bereitschaft, mit Jonathan eine Beziehung einzugehen, allzuviel mit Russell zu tun hatte .«
    Im Lauf der Zeit hatte Russell eine immer größere Rolle gespielt. Aber plötzlich kippte die Balance in beiden Beziehungen, beide schienen sich zu entleeren, was bei June eine starke Besorgnis hervorrief, Jonathans Gefühle zu verletzen. Sie sagte ihm nicht mehr, wie sie es zuvor getan hatte, warum sie früher als üblich weggehen mußte, falls es mit Russell zu tun hatte. Er haßte die Realität ihrer Situation, zumindest nahm sie das an. Und so vermied sie ihrerseits alles, was ihn daran erinnerte.
    »Das Schlimmste ist, wenn eine Beziehung überempfindlich wird«, sagte June. »Ich erwartete ständig, daß er mich eines Tages wütend anfahren und sagen würde: Warum gehst du nicht einfach zu deinem Mann und deinem Kind nach Hause und vergißt das hier ?< «
    Dazu kam, daß sie das Gefühl hatte, genau dies sollte sie tun. Aber sie konnte nicht. Und um zu verhindern, daß er sie dazu drängte, fing sie an, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. Sie sagte dann lieber, sie müsse noch in die Bibliothek. Sie sprach nicht mehr viel von ihrer kleinen Tochter, erwähnte selten etwas von ihrem Familienleben. Allmählich schlich sich ein komisches Gefühl ein, wie sie sagte. »Er fragte mich nach Chloe, nach meinem >anderen Lebern, aber ich vermied die Antworten. Es wurde mein Problem, nicht seines: Ich belog sie jetzt beide, Russell und Jonathan. Ich legte alles, was ich zu beiden sagte, auf die Goldwaage. Ich hatte Geheimnisse vor beiden Männern, war nicht mehr sicher, welchen von beiden ich wirklich sehen wollte, und machte keinen von beiden glücklich. Ich kam einfach völlig durcheinander .«
    Zuerst habe sie alles gehabt, meinte sie, und schließlich nichts. »Ich hatte mit zwei Männern eine halbe intime Beziehung. Es war wie zwei schlechte Ehen. Schließlich machte mir beides nicht mehr das geringste Vergnügen. Ich wurde einfach zu einer Superehefrau oder vielmehr zu einer Verrückten, die herumraste und zwei Männer, sogar zwei Haushalte versorgte. In welchem Haushalt war Klopapier vorhanden? Wo fehlte noch das Waschpulver? Ich kaufte Milch und Honiggläser für zu Hause, dann fiel mir ein, daß Jonathan beides ausgegangen war. Ich war einfach völlig fertig.
    Ich begann, Sex zu hassen. Auch mit Jonathan. Ich fühlte mich, als ob ich mit zwei Männern verheiratet sei, beiden diente, für beide Dienstleistungen erbrachte. >Habe ich dir nicht eben einen geblasen? Begreifst du nicht, daß ich jetzt nach Hause gehen und Russell einen blasen muß ?< Ich
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