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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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Frauen«, die in diesem Buch zu Wort kommen. Ich hatte erwartet, die alte Moralgeschichte zu lesen, die ich aus der Schulzeit kannte, den tröstlichen Triumph bußfertiger Tugendhaftigkeit über die Sünde. Was ich aber fand, war eine vernichtende Kritik an der puritanischen Moral, eine leidenschaftliche Klage über den Verlust der Sexualität und über die Folgen dieses Verlusts für die Frauen, für ihre Töchter und für die Gesellschaft insgesamt. In Dimmesdale fand ich einen Typus Mensch, voll Entschlossenheit, nach außen hin den Anschein der Unschuld zu wahren, voll des Glaubens an den göttlichen Geist, an Reinheit, an selbstlose Liebe und an ein reines Gewissen, während Hester, die das Stigma ihrer Lasterhaftigkeit auf ihrer Brust trägt, für diese Heuchelei bezahlen muß.
    Ich war doppelt überrascht. Da ich erwartet hatte, Frauen zu interviewen, die wegen ihres Entschlusses zu außerehelichem Sex zutiefst gespalten, ja fassungslos sein würden, hatte dieses Buch anfangs den Arbeitstitel Wandering Wives (etwa: Frauen auf Abwegen). Ich rechnete damit, daß viele Frauen ihre Seitensprünge bedauern würden, Frauen, die wie Hester die bittere Lektion »zügelloser Leidenschaft« erst gelernt hatten, als es für eine Umkehr zu spät war, Frauen, die sich danach sehnen würden, in die Sicherheit und Anerkennung zurückkehren zu können, die innerhalb der bestehenden Ordnung der Tugend vorbehalten ist.
    Da ich meine Annahme nicht bestätigt fand, dachte ich daran, eine spätere Fassung des Buches The Death of Forever (etwa: Abgesang auf das ewige Glück) zu nennen. Ich vermutete, daß ich wohl deshalb keine dieser traurigen Geschichten zu hören bekam, weil die Monogamie einfach tot war. Aus welchen Gründen auch immer, waren offenbar nur wenige derjenigen, die einander sexuelle Ausschließlichkeit versprochen hatten, imstande, ihr Versprechen zu halten. Was mir auffiel, war ein Phänomen, das der Soziologe Bernard Färber als »permanente Verfügbarkeit« bezeichnet, womit er meint, daß immer mehr verheiratete Männer und Frauen dauernd auf der Suche nach ihren nächsten Ehepartnern seien; ihr ganzes Leben lang seien sie prinzipiell für eine weitere Ehe offen. Ich merkte auch, daß junge Frauen, die aus Scheidungsfamilien stammten und oft selbst geschieden waren, zwar das Wort »ewig« benutzten, es aber mit einer anderen Bedeutung als der im Wörterbuch angegebenen — »zeitlich unendlich, immerwährend« — versahen. Da sie weder eine dauerhafte Beziehung erlebt haben noch voreheliche Enthaltsamkeit oder langfristige sexuelle Ausschließlichkeit kannten, verstanden sie die ursprüngliche Bedeutung von »ewig« vielleicht überhaupt nicht. Ich wollte herausbringen, worin ihre neue Bedeutung von »ewig« bestehen könnte.
    Ich selbst brauchte lange, um den intellektuellen Schritt aus der bestehenden Ordnung heraus zu machen; um zu merken, daß diese Frauen nicht deshalb gesprächsbereit waren, weil sie über den Zwiespalt des Herzens oder neue Bedeutungen von ewig reden wollten, sondern über die Auferstehung ihrer Sexualität und die umwälzenden physischen, psychischen und emotionalen Konsequenzen dieser Auferstehung.
    Man wird mich fragen, ob ich für außereheliche Beziehungen eintrete oder ob ich der Meinung bin, Frauen sollten sich von vornherein auf keine sexuell exklusive Beziehung einlassen. Ich kann beides nicht bejahen. Ebensowenig würden die von mir Befragten selbst diesen Standpunkt vertreten, denn viele von ihnen schätzten die emotionale und physische Bindung an einen Mann und glaubten an sexuelle Treue in der Ehe. Die außereheliche Affäre einer Frau hat zudem oft, wie erwähnt, überwältigende emotionale Folgen, und durch das Eingeständnis einer Affäre können verheerende finanzielle Konsequenzen hinzukommen, von denen sie sich vielleicht nie wieder erholen wird. Im übrigen »verirren« sich viele Frauen von Anfang an nicht in Anpassung, sondern stellen fest, daß sie sich in ihrer Ehe frei und vollständig entfalten und eine Beziehung der aufrichtigen Verbundenheit und des Lustgewinns leben können.
    Ich möchte nochmals klarstellen, daß es nicht die Ehe als solche ist, die eine Frau all der Eigenschaften beraubt, die ich als ihre Sexualität bezeichne; im Gegenteil, diese Beziehung bietet ihr enorme Möglichkeiten, sie zu entdecken und zu entfalten. Bei der Eheschließung ist sie jedoch mit der potentiellen Diebin konfrontiert, der vorbildlichen Ehefrau. Sie — weder Ehemänner
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