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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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komplexe, unvollkommene, schwierige Beziehungen.

15. »Wo bin ich mein ganzes Leben lang gewesen ?«

    An einem Donnerstag nachmittag , einem der Tage, an denen sie Jonathan traf, geschah etwas, das June klarmachte, daß sich in ihrer außerehelichen Beziehung etwas verändert hatte. Sie lagen in Jonathans Wohnung im Bett.
    »Der Tag war besonders gut gewesen«, erzählte mir June. »Ich erinnere mich, daß wir versucht hatten, miteinander zu schlafen, aber ich war nicht feucht genug, und deshalb vergaßen wir es einfach eine Weile, wir schmusten bloß. Aber mit einem Mal war er sehr erregt und attackierte mich mit der ganzen Wildheit, die zu ihm gehört, jetzt aber in einer Weise wie nie zuvor. Er verlor alle Hemmungen. Gewöhnlich war er sehr beherrscht; intensiv, aber immer hellwach für alle Veränderungen in mir, ja sogar potentielle Veränderungen. Ich meine, Gott bewahre, daß ich irgendwo in meinem Körper die leiseste Empfindung haben sollte, die ihm entging!
    Aber diesmal war er nicht besonders daran interessiert, was ich empfand. Es war im Grunde erleichternd, nicht so genau beobachtet zu werden; eigentlich wurde ich überhaupt nicht beobachtet. Ich war wie das Drahtseil eines Akrobaten oder der Ball eines Athleten, einfach irgendwie vorhanden für seine Lust. Das richtige Wort — und ich schwöre, daß ich nie zuvor an dieses Wort gedacht, geschweige denn, es gebraucht habe — ist >geschändet<.
    Aber ich mochte es, genoß, wie er sich selbst verlor, so heftig und gewaltsam kam. Nach all seinem behutsamen Aufpäppeln, all seinem Beobachten und Abwarten und Wünschen, daß ich den unüberbietbaren Orgasmus haben sollte, der mich für immer an ihn binden würde — diesmal benutzte er mich, war ich ein Körper für ihn, mit dem er tun konnte, was er wollte; er sah mich nicht, kümmerte sich nicht um mich.«
    Was June empfand war, daß nicht sie es war, die benutzt wurde, sondern Jonathan. Sie benutzte Jonathan, aber das wußte sie damals noch nicht.
    »Es war das erste Mal, daß ich das Gefühl hatte, er habe die Zügel völlig losgelassen und mir genügend vertraut, um sich mir völlig hinzugeben. An diesem Abend spürte ich, daß er besinnungslos in mich verliebt war.
    Aber er war niedergeschmettert. Anfangs dachte ich, es sei ihm peinlich, weil ich mir vielleicht benutzt vorkommen könnte, weil er unsensibel gewesen war. Aber das war es nicht. Er wußte, was geschehen war, und er wußte, daß ich es wußte .«
    »Nämlich, daß Sie einen Punkt erreicht hatten, von wo es kein Zurück mehr gab? Er liebte Sie zu sehr, und damit war die Abmachung gebrochen ?«
    »Ja. Wir hatten uns beide geweigert, über Liebe zu sprechen, es war uns so wichtig zu spüren, daß unsere Beziehung symmetrisch war und nicht einer den anderen mehr liebte oder brauchte. Es war uns wichtig, einander zu beweisen, daß wir unsere Affäre im Griff hatten. Jonathan war den Rest dieses Abends sonderbar, wie erschüttert. Ich hoffte, daß es eine Art von wundersamem Schweigen sei — er hatte einfach sexuell losgelassen — und daß er glücklich war. Aber dann, während des Abendessens, das er uns ans Bett gebracht hatte, begann er zu weinen.
    Ich hatte das Gefühl: Jetzt kommt’s; er wird etwas sagen, was ich nicht hören will. Ich geriet in Panik. Und dann begann ich auch zu weinen. >Nun ja, wir werden einfach so weitermachen<, sagte ich plötzlich lahm, als habe er gefragt, was wir tun sollten. Meine Worte klangen so unecht, so unecht tapfer .«
    »Weil Sie es waren, die nicht weitermachen wollte .«
    »Ja. Richtig. Ich konnte nicht mehr. Aber er war derjenige, der es aussprach. >Du weißt, daß wir nicht so weitermachen können<, sagte er ärgerlich. >Ich kann das nicht bis zum Ende meines Lebens fortführen, diesen Jeden-Donnerstag-Quatsch !<
    Ich hatte geahnt, daß es genauso enden würde, daß unsere Affäre sich nicht einfach totlaufen würde. Wir würden einander nicht satt bekommen. Sie würde explodieren. Und ich wußte, daß sie soeben explodiert war.
    Ich dachte dauernd daran, daß ich irgendwie im Vorteil sei, weil ich verheiratet war. Ich fand das unfair ihm gegenüber, weil ich mir diese Art Beziehung leisten konnte. Ich konnte weggehen, ohne viel zu verlieren«, sagte June. »Aber für Jonathan wurde das Risiko immer größer, und meine überlegene Position in dieser Beziehung begann mich bloß anzuwidern .«
    Jonathan hatte immer gewußt, daß sie Russell nicht verlassen würde, daß sie Chloe ihrem Vater nicht
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