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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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die Erfahrung einer solchen Beziehung und den damit verbundenen Lustgewinn auszudrücken — »wiedergeboren«, »erlöst«, »wiedergewonnen«, »gerettet« — , deuten darauf hin, daß das, was sie fanden, schon früher existiert hatte. Was sie enthüllt hatten, war das Mitschwingen im Geben und Nehmen von Liebe, bevor sie sich verpflichtet gefühlt hatten, junge Männer in Prinzen zu verwandeln, bevor sie selbst sich in stumme Dornröschen verwandelten, die in einem erotischen Vakuum dahintrieben. Sie erlebten eine Umkehrung der Transformation, die sie durchgemacht hatten, als sie ihr wahres Selbst verhüllten, in dem Bemühen, zuerst das vorbildliche Mädchen und später die vorbildliche Ehefrau zu werden — und diese erneute Selbstfindung empfanden sie als vertraut und gut. Für jede einzelne dieser Frauen war dies die Rückgewinnung: einer Beziehung, bevor sie idealisiert wurde, bevor Sex idealisiert wurde, bevor sie idealisiert wurde, und einer Zeit, in der Beziehungen so gewöhnlich und erfreulich und schwierig, so sinnlich und spielerisch und stimmungsabhängig waren wie sie selbst.
    Dieses Gefühl, sie sollten in ihrer Ehe glücklich sein — aber warum waren sie es dann nicht ? — , sie sollten dankbar sein, das alles zu haben — aber woher kam dann dieses Gefühl von Entbehrung ? — , daß sie ihren Mann und ihre Kinder liebten — aber warum fühlten sie sich dann so schlecht ? — , all dies verschwand. Es verschwand das Gefühl, das sich in Sätzen äußerte wie »Ich dachte, ich hätte diesen lebendigen Menschen geheiratet, mit dem es so spannend war, zusammenzusein«, oder »Ich dachte, mein Mann hätte eine lebendige Person geheiratet, mit der es Spaß macht, zusammenzusein, aber dann ging etwas schief«. Und so geschah es, daß, wie James sagte, »Ziele, die peripher waren, in diesem bestimmten Moment zentral werden«. Freude und Lust werden zentral, und das ist ein so überwältigendes Gefühl, weil es eben nicht neu ist; sie kannten es von früher, und jetzt war es wieder da. Und all diese »toten Gefühle, toten Ideen und kalten Überzeugungen«, wie James sie nennt, verwandeln sich plötzlich »in heiße und lebendige«. Da vollzieht sich so etwas wie eine Heilung, wie eine Wiedergeburt der Frau.
    Die Gruppe von Outlaws, die ich interviewte, diese Frauen, die die Sicherheit konventioneller Wohlanständigkeit verließen, taten dies, weil gerade die Tugendhaftigkeit sie einer grundlegenden Verbundenheit beraubte, die sie vermißten. Indem sie die Tugendhaftigkeit aufgaben, gewannen sie nicht nur ihre Fähigkeit zu Lust und Freude wieder, sondern auch eine erstaunliche Vitalität und Klarheit. Obwohl ich von ihrer Kraft und Widerstandsfähigkeit beeindruckt war, weiß ich nicht, wie dauerhaft sie sich beides erobert haben, ob sie ihre Lebendigkeit werden erhalten können, ja nicht einmal, ob ihre Geschichten auch auf andere Frauen übertragbar sind. Das führt mich weiter zur Thematisierung der Sexualität von Frauen: Gibt es einen anderen Weg, sie wiederzugewinnen? Experten vertreten die Auffassung, daß materielle Unabhängigkeit, ein guter Job, Therapie, enge Familienbande oder starke Frauenfreundschaften geeignet seien, ein schwindendes Selbst und eine verlorene Beziehung zurückzugewinnen. Aber diese Experten sprechen in der Regel nicht von Sexualität.
    Einige weitere Fragen bedürfen der eingehenderen Betrachtung: Muß eine Frau ihre Sexualität unbedingt in einer Beziehung wiedergewinnen, die sexueller Art ist? Muß diese Beziehung illegitim sein? Und kann die zurückgewonnene Sexualität erneut in eine legitime und monogame Beziehung eingebracht werden? Die von mir interviewten Frauen würden die ersten beiden Fragen bejahen, manche sicher auch die dritte Frage, zumindest, als ich sie das letzte Mal sah bzw. interviewte.
    Und was ist mit Frauen, die Liebesaffären mit anderen Frauen haben? Was ist mit farbigen Frauen? Mit Frauen anderer gesellschaftlicher Schichten? Für all diese Frauen sind, wie ich vermute, die weißen, männlichen Strukturen erstickend. Für manche aber, die automatisch aus diesem kulturellen Zusammenhang - und damit aus dem ganzen versteinernden Idealisierungsprozeß — herausfallen, haben diese Strukturen völlig andere Dimensionen, und eine Affäre hat völlig andere Konsequenzen.

Ein Neubeginn, kein Ende

    Die erneute Lektüre von Der scharlachrote Buchstabe war eine ebenso überraschende Erfahrung für mich wie meine Gespräche mit den »scharlachroten
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