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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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ist so berauschend, und ich empfinde einfach Wollust...«
    In unserer Kultur wird die Sexualität einer Frau mit der Menopause für beendet erklärt oder, wie manche Frauen meinten, gar schon mit vierzig. Ich war deshalb überrascht, wie viele der Frauen in den Fünfzigern, Sechzigern, sogar Siebzigern, die ich interviewte, seit langem außereheliche Beziehungen hatten. Ich hatte erwartet, daß die meisten der Frauen, von denen ich zu diesem Thema etwas hören könnte, in den Zwanzigern wären und daß ihre Affären bald nach ihrer Heirat begonnen hätten. Dies war das »neue« gesellschaftliche Phänomen, von dem ich gehört hatte, bevor ich dieses Buch begann.
    Die Erwartung erwies sich als falsch. Am Ende interviewte ich fast ebenso viele ältere wie junge Frauen, und ihre Berichte bestätigten, daß diese Geschichte alterslose Seiten hat: Erfahrungen einer Frau, nicht einer jungen Frau. Altere Frauen empfanden vielleicht eine noch ungetrübtere Freude, weil dieses Ereignis so unerwartet kam — die außereheliche Beziehung und die Freude — und so radikal war; manche hatten schließlich noch keinen Sex vor oder außerhalb der Ehe erlebt; die jüngeren Frauen hatten alle vorehelichen Sex gehabt. Die Älteren hatten sich dagegen schon viele Jahre lang auf die Bedingungen eingelassen oder sie sogar akzeptiert, eine gute Ehefrau zu sein. Die Jüngeren hofften immer noch, neue Bedingungen aushandeln zu können; die Älteren hegten zwar große Hoffnungen bezüglich der Wege, auf denen Frauen das System überlisten können, sie waren aber überzeugt, dies heimlich tun zu müssen, und diesbezüglich optimistisch; jüngere Frauen bezweifelten oft die Macht des Systems, negative Veränderungen bei ihnen auszulösen, oder wenn sie das glaubten, hatten sie mehr Hoffnung, das System selbst verändern zu können. Schließlich war die Flucht der älteren Frauen aus konventioneller Wohlanständigkeit ein waghalsigerer und beispielloserer Schritt; jüngere Frauen, die noch weniger an das Leben innerhalb der Institution gewöhnt waren und sich leichter mit der Rolle des sexuellen Outlaw abfanden, ließen sich von deren Macht nicht mehr so sehr einschüchtern. Ob aber älter oder jünger, sie berichteten alle von ähnlichen Gefühlen über ihr Ausbrechen — und erzählten von erstaunlich ähnlichen Veränderungen bei sich selbst.

»Ich bin nicht mehr die, die ich war«

    »In welcher Weise finden Sie sich denn verändert ?« frage ich die vierzigjährige Eleanor, die einen dreizehnjährigen Sohn und eine neunjährige Tochter hat. Ich sitze in ihrer Wohnung in Staten Island, in die sie mich nach mehreren früheren Gesprächen eingeladen hat. Heute haben wir stundenlang über ihren früheren Mann, Bill, und über Joe, den dreiunddreißigjährigen Elektriker gesprochen, mit dem sie vier Jahre ein Verhältnis hatte und den sie nun seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat.
    Eleanor beantwortet meine Fragen ohne Zögern. Sie erzählt, wie ihr Leben verlaufen ist, seit sie Joe kennenlernte. Ihre Ehe und ihre Affäre sind beide beendet; sie lebt mit ihren Kindern in einer kleinen Wohnung; Photos von Bill und ihren Kindern umgeben sie auf ihrer Couch im Wohnzimmer.
    Ich bin nicht mehr die, die ich war. Ich kann es nicht anders formulieren. Ich denke anders. Ich kaufe anderes Essen, sehe mir andere Fernsehsendungen an und lese andere Bücher. Ich rede anders mit meiner Mutter. Ich erlaube niemandem mehr, mit meinen Kindern über Brav- oder Bösesein zu sprechen; ich habe eine Babysitterin entlassen, die meiner Tochter ständig vorhielt, daß sie »böse« sei, ich interessiere mich nicht mehr so sehr für die Bewertungen, die die Lehrer über Leistungen und Verhalten der Kinder abgeben. Ich frage meine Kinder nach dem, was ich über ihre Leistungen wissen muß, nicht irgendeine Autorität, die mich zu nachträglicher Kritik auffordert. Ich schenke ihren Gefühlen mehr Beachtung, auch meinen eigenen. Ich habe ein geringeres Bedürfnis, meine Meinungen über Dinge im voraus auf Richtig und Falsch festzulegen. Wahrscheinlich könnte man sagen, ich beurteile richtig und falsch jetzt anders. Ich denke selbst über die Dinge nach, und ich finde mich irgendwie menschenfreundlicher und weniger von anderen bestimmt.
    »Fällt Ihnen spontan etwas Konkretes ein, was Sie jetzt anders tun als zuvor ?« , frage ich sie.
    Ich kann die Zeugnisse meiner Kinder in die Hand nehmen und sie buchstäblich anders lesen. Ich kann einen Brief von einer Lehrerin
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