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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck
Autoren: Kari Köster-Lösche
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einfacher als für die Seele, für die Füße einfacher als für die Seele«, murmelte Taleke, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, was der rätselhafte Mönch damit gemeint haben mochte, während sie nach allen Seiten Ausschau hielt, um nicht den Weg der Gauklerinnen zu kreuzen.
    Unbehelligt gelangte sie aus Schwartau hinaus. Der Weg nach Osten führte durch dichten Wald, und es war hier einsamer als auf der größeren Straße zum Holstentor.
    Die Gaukler hatte sie ohne Reue verlassen. In der nächsten Nacht hätte sich Lutgerd über sie hergemacht, das ahnte sie, und sie hegte nicht das geringste Verlangen, wie ihre Mutter zu enden: auf einem verabscheuten Hof mit verabscheuter Arbeit und einer Tochter, der kein besseres Schicksal als das einer Tagelöhnerin beschieden war. Möglicherweise sogar das einer Hure.
    Taleke kam trotz ihrer Müdigkeit allein schneller vorwärts als hinter dem lahmenden Esel. Erleichtert und einigermaßen satt legte sie einen flotten Schritt vor, der ein jähes Ende fand, als ihr eine Gruppe Reiter, gekleidet in gelb-grüne Farben, entgegenkam. Noch während sie ins dichte Gebüsch abtauchte, fiel ihr die Warnung des unsäglichen Lutgerd ein: die Bewaffneten des Bischofs. Vermutlich kamen sie vom Wehrturm, den sie in der Ferne sah.
    Als die Pferde plötzlich antrabten, hielt Taleke den Atem an. Hatten die Kerle sie gesehen, obwohl sie miteinander geschwatzt hatten? Und wenn? Sollte sie Lutgerd überhaupt Glauben schenken? Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass Männer, die gewiss jeden Morgen beten mussten und vom Bischof höchstselbst den Segen erhielten, Frauen überfielen. Sie hatte nicht gewildert – schließlich war eine zahme Gans kein Jagdtier –, nicht gestohlen und auch sonst kein Gebot, von dem sie wusste, übertreten.
    Die bewaffneten Reiter in ledernen Harnischen passierten ihr Versteck, ohne zu erkennen zu geben, ob sie wussten, dass dort jemand hockte.
    Mit einem erleichterten Schmunzeln kroch Taleke auf die Straße zurück, klopfte sich Laub und Erdkrümel aus dem Rock und nahm ihre Wanderung wieder auf, zufrieden mit sich selbst und der Welt. Alles verlief aufs beste.
     
    Die Wegbeschreibung des Mönchs stimmte aufs Haar. Taleke entdeckte die Masten der Schiffe auf der anderen Seite der Wasserstraße und fand als Letzte Platz in einem Nachen, den der Fährmann gerade zum Hafen hinüberstaken wollte. Abgesetzt hatte er Krämer, deren Ziel Travemünde war, und jetzt war er auf dem Rückweg zum Anlegeplatz Gothmund. Zu ihrer Überraschung sparte sie das Fährgeld, denn die Travefähre am Weg von Travemünde nach Lübeck war die fromme Stiftung eines Lübecker Kaufmanns.
    Gothmunds Hafenbecken lag geschützt hinter einem Schilfgürtel, und erst als der Fährnachen in die Einfahrt eingebogen war, sah Taleke die flachen Lastkähne, in die Ware geladen wurde, und die zahlreichen kleinen Ruderboote der Fischer, die auf Grasland hochgezogen waren.
    Hier ging es noch lebhafter zu als in Neustadt, die Seeleute der großen seegehenden Koggen waren ausgelassen wie junge Hunde. Taleke, die sich an das hölzerne Bollwerk setzte, um den Betrieb zu beobachten und zu überlegen, wie es mit ihr weitergehen sollte, erkannte nach einer Weile, dass die besonders Lustigen diejenigen waren, deren Reise in Lübeck enden würde. Warum auch nicht, wenn die Handelsfahrt erfolgreich gewesen war und die Männer morgen schon ihre Ehefrauen und Kinder in die Arme schließen würden?
    Ein Hauch von Neid keimte in Taleke auf, sie sprang hoch und schlenderte an den seegehenden Schiffen entlang, die längsseits des Ufers vertäut waren. Aus dem größten und stattlichsten schleppten die Stauer Fässer und Ballen heraus und verluden sie in die flachen Kähne. Ein markanter Duft von Fisch umwehte die Kogge.
    »Du da«, rief ein Mann an Deck energisch nach unten. »Das Fass bring zurück auf die ›Brücke‹! Mein Malvasier ist keine Handelsware!«
    Taleke drehte sich um sich selber, um alles begierig aufzusaugen.
    »Staune gerne, aber steh nicht im Weg, Frau«, rief derselbe Mann ihr zu. »Mit solch schweren Lasten rennen sie dich über den Haufen, ohne es zu beabsichtigen.«
    »Sie könnten ja auch aufpassen!« Trotz ihres Widerspruchs sprang Taleke zurück und schenkte dem großen, schlanken Mann mit den wehenden blonden Haaren ein vorsichtiges Lächeln, weil er sie nicht unhöflich behandelt hatte.
    Er nickte schmunzelnd und wandte sich dann wieder den Stauern zu. Bestimmt war er der Herr des
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