Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
Zumindest muss ich das vermuten.«
    Eine Ermahnung, als sei er ihre Mutter! Wie eine überraschte Spinne schnellte Taleke in die Höhe. »Ich bin so gut wie andere Menschen auch in der Lage, mich in einer freien Stadt zurechtzufinden! Ich kann alles lernen, wonach mir der Sinn steht, das ist nicht allein einem Bergenschiffer vorbehalten, Herr Wittenborch!«
    »Schon gut«, beendete Wittenborch ihren Wutausbruch ohne Anzeichen von Belustigung oder Verachtung. »Du willst nach Lübeck. Wenn du möchtest, kannst du auf meinem Schiff bis in den Stadthafen mitfahren. Es erspart dir den langen Marsch auf dem Treidelpfad und außerdem die Überprüfung deiner Person am Burgtor.«
    Überprüfung? Am Ende ließ man sie gar nicht in die Stadt hinein! An dergleichen hatte Taleke überhaupt noch keinen Gedanken verschwendet. »Wenn Ihr so freundlich wärt«, murmelte sie beschämt.
    »Gut. Melde dich im Morgengrauen an der ›Brücke‹.«

Kapitel 2
    Der Lärm, der aus dem »Affenbrot« auf die Gasse drang, war ohrenbetäubend. Gegröle von Männerstimmen mischte sich mit den Klängen einer Laute.
    Volrad Wittenborch schmunzelte, während er den Beischlag zur Schenke, in dem ein Kreis übermütiger Bekannter zu feiern pflegte, hochstieg. Alles junge Männer, Söhne von Ratsherren, Kaufleuten und Schiffern der Fernfahrer, die feierten, was das Zeug hielt. Das »Affenbrot« in der Nähe der Jakobikirche war nicht der standesgemäße Ort für die Elite der Stadt, aber die Väter, die in ihrer Jugend ebenfalls über die Stränge geschlagen hatten, duldeten schmunzelnd, dass ihre Söhne sich die Hörner in einem Teil der Stadt abstießen, den ihre Gattinnen nicht betreten würden.
    Wittenborch hätte sich nicht gewundert, wenn sein Freund Nicolaus Puttfarcken wieder einmal der Urheber dieser ausgelassenen Feier gewesen wäre. In diesem Frühjahr noch sollte er Lübeck verlassen, um in Paris ein Studium zu beginnen, wie so viele junge Leute aus aller Herren Länder.
    Möglicherweise würde sich Nicolaus jetzt endlich den nötigen Ernst für einen gesellschaftlich anerkannten Beruf zulegen. Wittenborch tippte auf das Studium der Jurisprudenz, damit ließ sich schließlich in einer aufstrebenden Stadt wie Lübeck am meisten anfangen, sofern man nicht, wie Vater Puttfarcken, nur vom Ertrag des eigenen Geschäftes leben wollte. Wer in der Stadt etwas darstellen wollte, studierte Rechtswissenschaften in Paris und in Bologna.
    Gebückt trat er durch die für ihn zu niedrige Tür ein. Einen Augenblick brauchten seine Augen, um sich an das schummerige Licht zu gewöhnen.
    »Gott zum Gruße, Volrad!«, schrie Nicolaus überschwenglich. »Wir haben dich vermisst!«
    Wittenborch grinste von einem Ohr zum anderen. Seine Vermutung hatte ihn nicht getrogen. »Wir waren schneller als jeder Seeräuber und als jeder Dorsch. Und da bin ich ja nun.«
    »Ja, da bist du nun. Komm, setz dich und feiere mit.«
    »Deshalb bin ich hier.« Der Schiffer nahm seine Kappe ab und hockte sich auf die Bank an dem langen, schmalen Tisch, an dem die Freunde saßen, eine bunte Gesellschaft, deren Gemeinsamkeit darin bestand, dass die Väter begütert waren.
    Ein Lautenspieler hockte mit gegrätschten Beinen auf einem großen Fass und klimperte verhalten vor sich hin.
    »Gerade erst zurück?«, fragte Nicolaus und prostete Volrad zu, als dieser einen Humpen mit schäumendem Bier erhalten hatte.
    »Prost! Jawohl. Die Glocken vom Heiligen-Geist schlugen ihr Lied, als wir einliefen. Ist alles hervorragend gelaufen.«
    »Prächtig! Du bist zu beneiden.«
    »Ich? Ich segle doch nur Lübeck – Bergen – Lübeck. Du bist zu beneiden! Wer kommt denn schon nach Paris?«, fragte Wittenborch nachsichtig lächelnd. »Soll es bald losgehen?«
    »Nicolaus! Wo bleiben denn die Weiber, die du uns versprochen hast?«, grölte einer an der langen Tafel, bereits betrunken genug, um auf das Gespräch anderer keine Rücksicht zu nehmen.
    Puttfarcken zuckte die Achseln und verzog abfällig die Lippen. »Woher soll ich das denn wissen? Bestellt waren sie. Mein Knecht Heinrich wird unzuverlässig.«
    »Es ist langweilig ohne Weiber, stimmt’s?«, fragte die gleiche Stimme.
    Wittenborch suchte nach dem Sprecher. Ein Dutzendgesicht, wie so viele von Nicolaus’ Freunden. Er kannte den Mann nicht.
    »Vielleicht haben sie im ›Affenbrot‹ schlechte Erfahrungen gemacht. Notfalls ziehen wir um. Es gibt schließlich Tavernen, in denen man weniger prüde ist! Und während ich mit Wittenborch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher