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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck
Autoren: Kari Köster-Lösche
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zum Treppenabsatz, auf dem immer noch Frau Adelburgis stand. Dann drehte sie sich wie von Dämonen gehetzt um und rannte mit schnellen, kleinen Schritten, die ihr niemand zugetraut hätte, die Stiege nach oben, wo sich die Vorratsräume für die lufthungrigen Waren befanden, die im Durchzug lagern mussten.
    Während Adelburgis’ Schritte verklangen, dachte Taleke voller Genugtuung daran, dass Nicolaus seine Strafe verdient hatte – weniger wegen der Sodomie, als wegen der Pockenstecherei. Demgegenüber wogen auch seine Lügen, die Unehrlichkeit und sein Betrug an ihr weniger schwer.
    Und dann hörte man vor der Hausfront das schreckliche Geräusch eines Körpers, der aus großer Höhe hinunterfällt und auf dem Boden aufschlägt.
     
    »Mutter!«, brüllte eine Männerstimme, und gleich darauf stürmte Nicolaus die Treppe hinunter. Einen winzigen Augenblick verharrte er vor Taleke. »Du!«, stieß er aus. »Hätte ich dich doch nie kennengelernt! Du bist schuld an allem, was diesem Haus widerfahren ist!«
    Taleke blieb stumm vor Schreck, außerstande, seine Irrtümer und falschen Beschuldigungen, die ihn wie ein Dämon zu beherrschen schienen, richtigzustellen. Erstmals erkannte sie auch, wie entstellt er aussah, er, der so sehr auf sein gutes Aussehen Wert gelegt hatte. Eine breite Narbe zog sich vom rechten Auge über den Mund bis zur linken Kinnseite hinunter.
    »So hübsch wie früher ist er nicht mehr«, flüsterte jemand gehässig.
    Taleke sah sich um. Hinter ihr stand Elske.
    »Ihr seid schuld, hat der Herr Nicolaus erzählt. Drei Knochenhauer haben ihn in Eurem Auftrag in Paris angegriffen.«
    Während Nicolaus die Haustür aufriss und für einen Augenblick den Blick auf ein blutbeflecktes Kleid freigab, schüttelte Taleke nur mitleidig den Kopf. Einem Mann wie Nicolaus konnte man nichts erklären, und man konnte ihn auch nicht zum Umdenken bringen. Er hatte sich in die felsenfeste Überzeugung verrannt, dass sie seine Vernichtung geplant und diese mit schlauen Schachzügen in die Wege geleitet hatte.
    Aber dieses alles war nicht ihre Angelegenheit. Sie war dankbar, dass es vorüber war. Und sie fühlte sich ungeheuer müde.
     
    Erst kurz vor dem Mittagsläuten des nächsten Tages erwachte Volrad Wittenborch, ausgeschlafen, wenn auch nicht ganz ohne Schmerzen. »Was machst du denn hier?«, erkundigte er sich verwirrt bei Tideke, der sich wie eine Magd in seinem Schlafraum zu schaffen machte, einen geleerten Becher entfernte, einen dampfenden neben ihm absetzte und die Decke zu seinen Füßen zurechtzog.
    »Ich passe auf Euch auf.«
    »Ach«, rief Volrad aufgebracht, »und wer passt auf Taleke auf? Wo ist sie überhaupt?«
    »Nur ruhig Blut, Schiffer«, beschwichtigte ihn Tideke. »Die Meisterin Taleke schläft nebenan, und eine von den Beginen aus dem Konvent ist bei ihr. Ihr glaubt doch nicht, ich würde zulassen, dass Eurer Meisterin noch mehr passiert? Die Mutter Begine hat die ganze Nacht bei Taleke gewacht. Schließlich ist dies ein anständiges Haus.«
    »Tideke«, seufzte Wittenborch erleichtert. »Was würde ich denn ohne dich machen?«
    »Auf dem Schiff braucht Ihr mich, das ist klar. Ich muss ja die Anker erproben, die Frau Taleke erfinden wird. Aber ich wüsste etwas, Schiffer, das Ihr ganz allein ohne meine Hilfe erledigen solltet.«
    »Das wäre?«
    »Die Meisterin Taleke ehelichen.«
    »Das ist wahr, Tideke. Ich habe für sie sogar schon einen wunderbaren Ring schmieden lassen. Mit dem König Lobben darauf, damit sie sich jederzeit daran erinnert, dass sie mit einem Bergenfahrer verheiratet ist.« Der Schiffer grub unter seinem Kissen und beförderte ein Lederbeutelchen zutage.
    Zusammen bewunderten sie die feine Goldschmiedearbeit eines Stockfisches mit Krönchen auf blauem Emaillegrund. »Das wellenförmige Blau stellt die See dar«, erklärte Wittenborch stolz. »Schön, nicht?«
    »Man erkennt alles gut. Aber vielleicht solltet Ihr der Meisterin allmählich von Eurem Plan erzählen«, schlug Tideke vor.
    »Keine ganz dumme Idee von dir.« Volrad mühte sich aus seinem Bett und taumelte nach nebenan, wo er Taleke in tiefem Schlaf vorfand und die Begine stumm hinauswinkte. Vorsichtig nahm er Talekes schmale Hand zwischen seine Seemannspranken und blieb so sitzen, bis sie die Augen aufschlug.
    Er las ihr die Verwunderung vom Gesicht ab. »Du wirst doch nicht mit ›pfft‹ antworten, wenn ich dich jetzt frage, ob du mich heiraten willst?«, fragte er argwöhnisch.
    Taleke schüttelte mit
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