Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
standen die Türen sperrangelweit
offen, wenn niemand da zu sein schien? Mit einem unguten Gefühl
in der Magengegend näherte er sich den Stallungen, und kaum
waren sie auf ein Dutzend Schritt herangekommen, vernahm er zornige
Stimmen. Eine davon gehörte Lutz. »Es ist unrecht. Es ist
mir gleichgültig, was der Rat entschieden hat, Ihr habt kein
Recht dazu!« Ein heller Tenor antwortete bissig: »Wollt
Ihr Euch dem Rat widersetzen? Muss ich den Amman rufen?« Ein
Schnauben verriet, was Lutz davon hielt. »Diese Zucht ist viel
mehr wert als der Preis, für den Ihr sie verschleudern wollt.
Wisst Ihr eigentlich, wie lange Falk und sein Vater gebraucht haben,
um sie aufzubauen?« »Das ist mir vollkommen
gleichgültig«, versetzte der andere Mann. »Ich kann
mit den Viechern nichts anfangen. Deshalb werde ich sie verkaufen.
Ende der Diskussion!« Falk, der die Stimme des zweiten Mannes
erkannte, schob zornig den Unterkiefer vor und betrat den Stall. »Ihr
werdet nichts dergleichen tun!«, donnerte er und funkelte Hans
Kun an. »Ihr werdet auf der Stelle meinen Hof verlassen, oder ich rufe den Amman und lasse Euch von der Stadtwache hinauswerfen!« Die buschigen Brauen des
hageren Baumeisters wanderten erst in die Höhe, bevor sie sich
zusammenschoben.
        »Falk?!«,
rief Lutz aus und starrte die Neuankömmlinge an wie Trugbilder,
die einem Traum entsprungen waren. »Bist das wirklich du?«
Innerhalb eines einzigen Augenblickes jagten sich Reue, Zerknirschung
und ungebändigte Freude in Falks Bauch, als Lutz ein Kreuz vor
der Brust schlug und Hans Kun zur Seite schob. »Lutz!«,
entgegnete er tonlos und trat, ohne zu überlegen, in die offenen
Arme seines Verwalters. Als wären sie nicht im Streit
geschieden, drückte Lutz ihn mit solcher Kraft an sich, dass
Falks Rippen mit einem Knacken protestierten. Der warme Heugeruch,
der von dem alten Freund seines Vaters ausströmte, löste
einen solchen Sturm der Empfindungen in Falk aus, dass er heftig
blinzelnd die Tränen schluckte, die ihm in die Augen schossen.
»Vergib mir, ich hätte auf dich hören sollen«,
sagte er schließlich mit belegter Stimme, nachdem er sich
wieder losgemacht hatte. Einige Sekunden rang er um Haltung, dann
räusperte er sich und brummte an Hans Kun gewandt: »Was
immer Ihr Euch ausgemalt hattet, vergesst es. Hier gibt es nichts zu
holen.« Lediglich ein leichtes Beben in seiner Stimme verriet,
wie aufgewühlt er war. Kaum war sein Onkel leise fluchend
verschwunden, zog Falk Sapphira an sich und stellte sie Lutz vor:
»Das ist Sapphira, meine Gemahlin.« Lutz, dem die Gefühle
ebenso ins Gesicht geschrieben standen wie Falk, öffnete
verdutzt den Mund. Dann breitete sich ein Strahlen auf seinen Zügen
aus und er griff nach der Hand der jungen Frau. »Willkommen in
Ulm«, sagte er heiser. Wenngleich Sapphira auf der Reise ein
wenig Deutsch gelernt hatte, verstand sie noch nicht viel, und Falk
übersetzte ihr die Antwort – froh, Ablenkung in dieser
Aufgabe zu finden. Dann wandte er sich zurück an seinen
Verwalter und wies mit dem Daumen über die Schulter zurück
in den Hof, wo Hans Kun soeben durch das Tor verschwand. » Den hatte ich nun wirklich nicht
hier erwartet«, sagte er erstaunt und wollte gerade die Frage
stellen, die ihn die ganze Reise über beschäftigt hatte,
als Lutz ihm zuvorkam. »Otto von Katzenstein hat behauptet, du
seist von Piraten getötet worden.« Seine Stimme drohte zu
kippen, aber er fasste sich schnell wieder. »Das hat die
Aasfresser auf den Plan gerufen«, erklärte er und gab zwei
Knechten ein Zeichen, die Vollblüter zu versorgen. »Ich
habe ihm kein Wort geglaubt«, fügte er leise hinzu. Falk
stieß einen Seufzer aus. »Ich hätte niemals so dumm
sein dürfen, ihm zu vertrauen.« Die plötzlich in ihm
aufsteigende Wut drohte, die Wiedersehensfreude zu verdrängen.
»Wenn ich ihn finde, wird ihm sein Verrat leidtun!«,
knirschte er, doch Lutz winkte ab. »Das glaube ich kaum. Er ist
seit über einem Jahr tot.« Einen Moment lang begriff Falk
nicht. Dann entfloh der Hass, der gedroht hatte, ihn zu vergiften,
wie Luft aus einem aufgeblasenen Balg, und die Leere, die
zurückblieb, war beinahe unheimlich. »Tot?«, fragte
er und Lutz nickte. »Kommt ins Haus. Ihr müsst müde
sein von der langen Reise. Dann kann ich dir alles erzählen und
du kannst mir berichten, wo du dieses wundervolle Geschöpf
gefunden hast.« Er schenkte Sapphira ein weiteres Lächeln,
das diese unsicher erwiderte. Erfüllt von einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher