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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Sünder«, murmelte er – obwohl
die Worte schlecht zu schmecken schienen. Denn eigentlich wäre
ihm mehr danach gewesen, den Heiland darum zu bitten, Manuel zu
vernichten. Er drückte einen der Knoten an die Lippen und küsste
ihn. Dann versank er wieder in Grübeln. Wenn er weniger
zögerlich vorgegangen wäre, hätte er die Palastwache
sicherlich früher oder später auf seine Seite ziehen
können. Warum hatte er sich nur auf den Vertrag verlassen, den
er mit Bayezid abgeschlossen hatte? Der schlechte Geschmack in seinem
Mund breitete sich aus. Ob sich jemals wieder eine Gelegenheit bieten
würde, sich das zu nehmen, was ihm eigentlich zustand?, fragte
er sich. Oder würde er nun doch bis ans Ende seiner Tage zu den
Verlierern zählen? Er stieß ärgerlich die Luft durch
die Nase aus. Konstantinopel stand noch. Aber er würde
all seine Kraft benötigen, um nicht tiefer zu fallen als sein
Vater.

    *******

    Ulm,
Frühjahr 1403
     
    Das
Zwitschern der Vögel weckte Sapphira. Ein Sonnenstrahl tanzte
auf ihrem Gesicht, und sie blinzelte geblendet, als sie den Kopf
wandte, um sich zu vergewissern, dass Falk neben ihr lag. Manchmal
kam es ihr immer noch vor wie ein Traum. Das fremde Land, das ihr
manchmal Furcht einjagte, sie manchmal mit Staunen und zu anderer
Zeit mit kindlicher Freude erfüllte; die überwältigende
Liebe, die bisweilen beinahe schmerzhaft war; und die Gewissheit,
dass diese Liebe niemals schwinden oder an Zwängen zerbrechen
würde, die andere ihnen auferlegten. Sie drehte sich auf die
Seite und betrachtete Falk einige Augenblicke lang glückselig.
Außer dem pechschwarzen Schopf und den dichten Brauen war kaum
etwas von ihm zu sehen, da er sich – wie immer – die
Decke bis an die Nasenspitze gezogen hatte. Wenngleich der Kachelofen
in ihrer Kammer die Wärme bis tief in die Nacht hielt, war es
morgens meist noch empfindlich kühl. Schmunzelnd zupfte sie an
der Decke, bis sie sein Gesicht freigelegt hatte, das im Schlaf
friedlich und unschuldig wirkte. Ob sie sich jemals an ihm sattsehen
würde?, fragte sie sich und strich ihm eine verirrte Strähne
aus dem Augenwinkel. Als ihre Fingerspitzen ihn berührten, gab
er ein leises Grunzen von sich, wachte jedoch nicht auf. Wie er wohl
aussehen würde, wenn er älter war? Würde sein Haar
genauso grau und dünn werden wie das seines Freundes und
Verwalters Lutz? Oder würde er ein Greis mit dichtem, silbernem
Schopf werden? Sie kuschelte sich mit dem Rücken an ihn und
genoss die Wärme seines Körpers, während ihre Hände
zu ihrem schweren Bauch wanderten. Nicht mehr lange und sie würde
sein Kind gebären – das Kind, das sie zweifelsohne auf der
Flucht gezeugt hatten. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die
Wangen stieg, als sie sich darauf freute, ihn endlich wieder in sich
aufnehmen zu können.
        »Ich
will dir nicht wehtun«, hatte er vor zwei Monaten gesagt und
sie mit komischer Verzweiflung angesehen. »Und ich würde
mir nie verzeihen, wenn unserem Kind etwas passiert.« Zuerst
hatte sie ihn ausgelacht. Aber als sie gemerkt hatte, wie ernst es
ihm war, hatte sie ihn an sich gezogen und ihn zärtlich geküsst.
»Dann werden wir uns eben gedulden müssen«, hatte
sie erwidert und war ihm in den Stall gefolgt, um nach den
neugeborenen Fohlen zu sehen. Diese – flauschig und staksig und
immerzu durstig – hatten es ihr angetan, obwohl sie sich
eigentlich nicht für Pferde interessierte. Was sie hier in Ulm
tun konnte, außer Falks Haushalt zu führen, wusste sie
immer noch nicht. Als sie ihn danach gefragt hatte, hatte er den Kopf
schief gelegt und überlegt. »Vielleicht kannst du Tränke
und Salben für die Frauen der Stadt herstellen«, hatte er
vorgeschlagen. »Oder in einem der Hospitäler helfen.«
Der Gedanke gefiel Sapphira, und sobald der Frühling endgültig
Einzug hielt, würde sie Falk bitten, sie in die Stadt zu
begleiten. Die Sitten und Gebräuche der Ulmer waren ihr noch zu
fremd, als dass sie sich alleine unter sie gewagt hätte, und
auch die Sprache machte ihr zu schaffen. Doch das würde sich im
Laufe der Zeit gewiss ändern, würde in den Hintergrund
treten – genauso wie die Trauer um Gülbahar und die Tabibe verblasst war. Sie schloss
die Augen und malte sich aus, was die Zukunft alles bringen konnte.
Eines war gewiss: Solange Falk an ihrer Seite war, würden ihr
weder Eis noch Schnee noch die misstrauischen Blicke der
Stadtbewohner etwas ausmachen. Solange Falk an ihrer Seite war, gab
es keinen Ort, an dem sie sich
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