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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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beim Leben ihrer Mutter und ihrer Schwester geschworen, Vater«, mischte sich Georg ein und der Mönch nickte zufrieden.
    Er führte sie in die alte herzogliche Residenz und Griseldis staunte über die vielen Lichter, welche den, in ihren Augen, riesigen Bau erhellten. Eine solch ungeheure Menge an Kienspänen und duftenden Wachskerzen hatte sie noch niemals gesehen. Daheim ging man sehr sparsam damit um. Meist verwendete man nur billige Binsenlichter und auch sie nur spärlich. Wenn es dunkel wurde, ging man auf dem Lande schlafen.
    »Was fehlt dem edlen Herrn denn?«, wagte Griseldis endlich zu fragen. »Ich bin nur eine einfache Heilerin vom Dorf – warum hat man nicht einen Medicus geholt?«
    Der Mönch lächelte. »Im Palast halten sich sogar zwei dieser gelehrten Doctores auf, aber unser Herr will sie nicht sehen. Herr Heinrich leidet von Zeit zu Zeit an Blasensteinen und diese bereiten ihm solche Pein, dass er jedes Mal glaubt, daran sterben zu müssen. Die Ärzte haben bisher meistens versagt und Herzog Heinrich will es nun einmal mit dir versuchen.«
    Vater Berchtold musterte das Mädchen wohlwollend. »Man erzählt sich wahre Wunderdinge von dir, Kind«, fügte er hinzu, ehe er die Tür zum herzoglichen Schlafgemach öffnete. Der mit einer Lanze bewaffnete Wachtposten war ehrerbietig zur Seite getreten, als er den Mönch im flackernden Kerzenschein erkannt hatte.
    »Komm nur weiter, Griseldis«, ermunterte Vater Berchtold flüsternd die junge Frau. Sie trat an das große, breite Bett, an dessen vier Ecken die gedrechselten Pfosten bis fast zur Zimmerdecke reichten, und sah zu der dazwischen gespannten, roten Samtdecke hinauf, die verhindern sollte, dass Ungeziefer auf den schlafenden Herzog herabfiel.
    Auch Herr Moritz hatte sich so ein Bett anfertigen lassen und er hatte ihr den Sinn dieses Betthimmels erklärt. Natürlich war die Lagerstätte des Herzogs von Baiern viel kostbarer ausgestattet, aber das interessierte Griseldis in diesem Augenblick gar nicht so sehr.
    Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nun dem Kranken, der sich mit schweißnassem Gesicht stöhnend und ächzend auf der Matratze wälzte. Sein dunkelbraunes, schulterlanges Haupthaar und der kurze Kinnbart waren nass und strähnig, die bleichen Gesichtszüge schmerzverzerrt.
    Kein Zweifel, dieser Mann litt Höllenqualen. Er war nicht der erste Patient, den Griseldis von Nieren-oder Blasensteinen befreien musste. Man sagte nicht zu Unrecht, dass diese Art von Kolik mit Geburtswehen zu vergleichen war.
    »Die Heilerin von Tannhofen ist hier, Herr Heinrich. Sie heißt Griseldis«, sagte der Benediktiner und berührte ihn sanft am Arm.
    Zwei große, braune, vor Schmerz und Verzagtheit verschleierte Augen richteten sich auf das junge Mädchen.
    »Sei gegrüßt, Griseldis«, murmelte eine schwache Stimme. »Versuche dein Glück und der HERR möge dir beistehen, dass du das Richtige tust.«
    »Ja, Herr, das will ich gerne tun.«
    Mit leiser, aber bestimmter Stimme bat Griseldis um einige Dinge, die man ihr sofort herbeischaffte. Trotz ihrer Jugend besaß das Mädchen Autorität und auch die älteren Dienstboten taten umgehend, wie ihnen geheißen.
    Die Blasensteinkolik, so schmerzhaft sie für Heinrich auch sein mochte, war verhältnismäßig leicht zu beheben: Es genügten Aufgüsse von Kamillenblüte und Schachtelhalm, um mit diesem Tee den Nierengrieß abgehen zu lassen.
    Zusätzlich legte Griseldis dem Herzog, der erst in einem Vierteljahr seinen sechsundzwanzigsten Geburtstag feiern würde, beide Handflächen auf die Lenden. Fast unmittelbar verspürte dieser eine wohltuende Wärme auf der Haut mit einer einhergehenden Linderung der fürchterlichen Schmerzen, die sich allmählich ganz verflüchtigten.
    Herzog Heinrich war begeistert. Er bat Griseldis, für immer in die Stadt Regensburg zu ziehen und sich am herzoglichen Hof als seine persönliche Medica niederzulassen.
    »Am liebsten ließe ich dich gleich gar nicht mehr fort, Mädchen«, sagte Herr Heinrich, »obwohl ich einsehe, dass du zuerst deine Familie fragen musst. Aber versprich mir, dass du so bald wie möglich zu mir kommst, denn diese Koliken quälen mich immer wieder einmal. Und du wirst diese Entscheidung, mir zu Diensten zu stehen, niemals bereuen.«
    Griseldis überlegte fieberhaft. Rasch kam sie zu der Überzeugung, dass dies wohl das Beste für sie wäre: Eine Anstellung bei Hofe und dazu beim höchstgestellten Fürsten in Baiern – was konnte es Erstrebenswerteres für ein Kind
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