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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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vom Lande geben?
    Aber was würde Frowein dazu sagen? Gäbe er seine Zustimmung, dass seine Lieblingstochter den väterlichen Hof verließ?
    ›Aber wenn ich heirate, gehe ich ja auch fort‹, dachte sie dann. Trotzdem war sie keineswegs sicher, ob ihre Eltern diese Entscheidung billigen würden. Außerdem hütete die alte Muhme Bertrada seit einiger Zeit das Krankenlager und Griseldis hatte sich ihrer angenommen.
    Kurzentschlossen sagte sie dem Herzog zu – unter dem Vorbehalt der elterlichen Erlaubnis. Doch zugleich bat sie darum, erst die todkranke Tante pflegen zu dürfen.
    Dem Herzog Heinrich und der Herzogin Kunigunde, einer schönen, blonden Dame von erst zwanzig Jahren, die sich mittlerweile im Krankenzimmer ihres Gemahls eingefunden hatte, gefielen der feine Anstand und das Pflichtbewusstsein dieses jugendlichen Geschöpfes ausgesprochen gut und sie gaben ohne Weiteres ihre Zustimmung.
     
    Im Morgengrauen, auf dem Rückweg zum Gehöft ihres Vaters, fragte Griseldis ihren Begleiter regelrecht aus. Sie hatte so selten Gelegenheit, Dinge zu erfahren, die sich außerhalb der dörflichen Enge zutrugen. Georg, inzwischen redseliger als zu Beginn ihrer Begegnung, tat ihr gern den Gefallen.
    »Wie du vielleicht gehört hast, Mädchen«, sagte er in besserwisserischem Tonfall, »ist Heinrich der Zänker, der Vater unseres jetzigen Herzogs, im Jahr 995 gestorben. Er war noch nicht einmal fünfundvierzig Jahre alt und sein Sohn, der junge Heinrich, ist mit zweiundzwanzig Jahren sein Nachfolger geworden.« Dem Knecht gefiel es, sich ein wenig vor diesem unwissenden Bauernkind aufzuspielen.
    »Drei Jahre später, also ziemlich genau vor einem Jahr, hat er sich mit Fräulein Kunigunde vermählt, der schönen Tochter des Herrn Siegfried, genannt der Lützelburger vom Ardennen-und Saargau. Graf Siegfried ist gegen seinen Schwiegersohn, den mächtigen Baiernherzog, nur ein kleines Licht. Was Herrn Heinrich bewogen hat, eine nicht ganz Ebenbürtige als seine Gemahlin heimzuführen, ist seine tiefe Liebe zu der sanften, blonden Jungfrau gewesen.« Georg lachte.
    »Sein Großvater und sein Vater sind einst bei ihrer Brautwahl mit Judith von Baiern und Gisela von Burgund um ein Vielfaches wählerischer gewesen, was Besitz, Macht und Einfluss der Familien anbelangte, denen ihre künftigen Gemahlinnen entstammten. Durch einen Bruder Kunigundes hat unser Herzog das schüchterne und gebildete Mädchen kennengelernt und sich auf der Stelle in die liebliche Grafentochter verliebt.«
    »Wunderschön ist diese Geschichte«, murmelte Griseldis. »Fast so schön wie eines der Märchen, die man sich im Winter in der warmen Stube erzählt.«
    »Und was noch viel besser ist, diese Geschichte ist kein Märchen, sondern die lautere Wahrheit«, sagte Georg ein wenig hochtrabend.
    »Wie ist es dann weitergegangen?«, wollte die Heilerin wissen und hing förmlich an den Lippen des herzoglichen Knechts.
    »Ja nun, auch Fräulein Kunigunde hat auf Anhieb Gefallen gefunden an dem lebenslustigen und ehrgeizigen jungen Herzog, der immer genau zu wissen scheint, was er will. Und der dann auch stets allen Widerständen zum Trotz seinen Kopf durchsetzt«, fügte Georg hinzu.
    »Vom Herzog habe ich schon einiges gehört«, sagte Griseldis. »Fromm und kühn zugleich soll er sein, dabei viel angenehmer im Wesen als Heinrich der Zänker, sein Vater.«
    Das konnte Georg nur bestätigen.
    Griseldis gegenüber hatte sich der Baiernherzog jedenfalls sehr liebenswürdig verhalten. Und kaum war es ihm wieder besser gegangen, hatte er ihr richtig gut gefallen: Umwerfend gut hatte er ausgesehen.
    In den folgenden Nächten hatte das junge Mädchen gar von Herrn Heinrich geträumt: von seiner muskulösen Gestalt, von seinem scharf geschnittenen, männlichen Antlitz, umrahmt von dichten, dunkelbraunen Locken, die ihm bis zur Schulter reichten, und dem kecken Bärtchen, hinter welchem die weißen Zähne beim Lachen nur so geblitzt hatten.
    Am besten aber entsann sich Griseldis seiner lebhaften, braunen Augen, die sie offen, dankbar und bewundernd zugleich angeblickt hatten, nachdem sie ihm den Schmerz genommen hatte…
     
     

KAPITEL 4
     
    N ACH IHRER H EIMKEHR an den elterlichen Hof hatte Griseldis nur einen Blick auf Dietlinde geworfen und schon ahnte sie, dass Schreckliches geschehen sein musste. Die Frau hatte blaue Flecken im Gesicht und an den Oberarmen; am schlimmsten aber waren der verängstigte Ausdruck in ihren Augen und ihre fahrigen Bewegungen.
    Auf
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