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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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sagte sie auch jetzt zu der hochschwangeren Frau und wehrte deren Bemühungen ab, ihr zum Dank ein paar Eier aufzudrängen und das letzte Stück Speck, das die Räuber ihnen gelassen hatten.
     
    Es war nicht nur dieser Verletzte, der ihrer Hilfe bedurfte. Überall im Ort hatten die Mordbrenner, deren genaue Anzahl keiner der Dorfbewohner nennen konnte, ihre verheerenden Spuren hinterlassen.
    »Ein gutes Dutzend wird es wohl gewesen sein«, war noch die genaueste Auskunft, die Griseldis von den eingeschüchterten, aber auch wütenden Dörflern erhielt.
    »Sechs Hände müsste ich haben, um alle Verwundeten gleichzeitig behandeln zu können.« Griseldis seufzte. Dann hörte man lange nichts mehr von ihr. Mit größter Konzentration widmete sie sich der Versorgung ihrer Patienten – die Bauern waren teilweise bös von den Plünderern zugerichtet worden. Sie säuberte Wunden, manche davon mussten genäht werden, trug Salbe auf, legte Verbände an, richtete Brüche ein, schiente dieselben und verteilte selbst gemachte Pillen gegen die Schmerzen sowie Kräutersäfte, um das Fieber zu senken. Nebenbei hatte sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen.
    Die Stimmung im Volk war alles andere als gut. Die meisten Dorfbewohner jammerten über den angerichteten Schaden an Gebäuden und Vorräten durch das mutwillig gelegte Feuer und beklagten das geraubte Vieh. Sie waren von Zorn erfüllt wegen der grausamen Verletzungen und schworen, sich in Zukunft besser zu bewaffnen und Wachtposten aufzustellen, die Alarm schlagen sollten, sobald die Mörder und Brandstifter erneut auftauchten.
    Doch es drangen auch Beschwerden über das Versagen der Herrschenden an ihr Ohr – allerdings mit bedeutend leiseren Stimmen vorgebracht.
    »Wo ist er denn, unser Baron?«
    »Warum lässt sich unser Herr nicht blicken, wenn wir ihn so nötig bräuchten?«
    »Hauptsache, sein Zehenteintreiber findet jedes Jahr den Weg nach Tannhofen!«
    »Wozu haben wir einen König, wenn solche Unruhen im Land geduldet werden?«
    »Gibt es überhaupt einen König?«
    »Das wenn wir wüssten!«
    »Ich hab gehört, er soll in Italien leben und sich ›Kaiser‹ nennen.«
    »Wozu brauchen wir denn so einen, der nicht einmal bei uns wohnen mag?«
    »Ich sag ja schon lange, dass man ihn ganz abschaffen könnte.«
    »Und was macht eigentlich unser Herzog in Regensburg?«
    »Ach, der Herzog Heinrich hat anderes zu tun; der verlässt sich darauf, dass unser Baron sich um seine Leute kümmert, wie es sich ja auch gehören tät.«
    »Wir sollten uns bei ihm beschweren!«
    »Pah! Geh nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst – das hat mein Großvater schon gesagt.«
    »Aber ich hab gehört, der Heinrich soll ein Herz für uns kleine Leute haben und kein so ein Polterer sein, wie sein Vater selig, der Zänker, es gewesen war.«
    Als der Knecht Simon Griseldis schließlich nach Hause begleitete, war sie todmüde. Insgesamt hatte dieser brutale Überfall fünf Menschenleben gekostet, das von vier Männern und einer älteren Frau, die versucht hatten, ihr ärmliches Hab und Gut zu retten, sowie ein Dutzend Verwundete, vier davon waren bedenklich schwer verletzt und einer von ihnen würde es wohl nicht überstehen.
    ›Zum Glück ist unsere Familie für dieses Mal verschont geblieben‹, dachte die junge Heilerin und freute sich auf ihren Morgenbrei aus in Milch gekochter Gerste. Sie würde sich jetzt gleich bei der Mutter in der warmen Küche niederlassen und die müden Beine unter dem Tisch ausstrecken.
     
     

KAPITEL 3
     
    L EIDER GAB ES nicht viel Zeit zum Ausruhen. Fast hätte sie beim Eintritt in die Stube den jungen Mann übersehen, der auf der Ofenbank Platz genommen und sie offensichtlich erwartet hatte. Er trug vornehme Reitkleidung mit einem Wams aus feinem Leder und sein Hemd hatte gebauschte Ärmel. Augenscheinlich gehörte er einer höheren Schicht an, als man gemeinhin in Tannhofen zu sehen bekam. Der Fremde erhob sich.
    »Ihr kommt sicher von Herrn Moritz aus Regensburg, nicht wahr?«, erkundigte sich das junge Mädchen. Sie wagte nicht, ihn zu duzen. »Aber Euch hat er bisher noch nie geschickt.«
    »Georg ist mein Name und du kannst ruhig du zu mir sagen. Ich bin nur ein einfacher Knecht«, gab der junge Bursche stattdessen zur Antwort. »Bitte beeil dich und komm mit mir, denn mein Herr bedarf ganz dringend deiner Hilfe.«
    Griseldis ging davon aus, dass Herr Moritz nach ihr verlangte, ein vermögender Kaufmann aus Regensburg, den sie
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