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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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etwa auch bei euch zugeschlagen?«
    »Und wie! Der Bauer liegt halbtot auf dem Hof vor der Scheune, weil er die Saukerle daran hat hindern wollen, unsere beste Kuh mitzunehmen. Diese hat neulich gekalbt und gibt noch genügend Milch für die Kinder«, sagte er aufgebracht. »Wir Knechte sind zwar mit Sensen und Dreschflegeln auf das Pack los, aber die Bande war mit Schwertern bewaffnet und hatte dicke, lederne Wämser und darunter Kettenhemden an und auf dem Kopf trugen sie Eisenhüte…«
    »Komm rasch, Simon. Jede Minute ist kostbar«, unterbrach Griseldis den Redefluss des verstörten Mannes. Sie fasste ihn am Arm und eilig machten sie sich auf zum Ort des Überfalls: Es lohnte nicht mal, ein Pferd zu satteln, denn das Gehöft lag nur knapp fünf Gehminuten von Froweins Anwesen entfernt.
    Griseldis war froh über die Begleitung des jungen, kräftigen Burschen. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nicht einen einzigen Krankenbesuch mehr ohne männlichen Begleitschutz zu absolvieren.
    Kein Mädchen und keine junge Frau wagten sich in diesen unruhigen Zeiten alleine aus dem Haus. Und Frowein hatte seiner Tochter, die fast jeden Tag nach ihren Patienten schaute, ausdrücklich befohlen, sich nur mit einem Mann an ihrer Seite vom Hof zu entfernen.
    Griseldis hatte darauf verzichtet, eine Laterne mitzunehmen, der Feuerschein spendete genügend Helligkeit. Und auf dem Nachhauseweg, wenn der Brand gelöscht war, so hoffte sie, würde es vermutlich schon taghell sein.
    »Am schwierigsten ist es, sich die verkommenen Mönche vom Leib zu halten«, sagte Griseldis zu Simon.
    Der Bursche schüttelte verwundert den Kopf.
    »Aber diese Kerle haben doch ewige Keuschheit geschworen«, rief er aus.
    »Pah, das interessiert keinen mehr! Jeder von denen glaubt doch, dass ihm im Leben Wunder was entgangen wär, und so wollen sie alles noch schnell nachholen, ehe die Welt untergeht.«
    Beide schwiegen, ehe Simon den Faden erneut aufgriff.
    »Glaubst du auch, Seldi, dass der Jüngste Tag bevorsteht?«
    »Keine Ahnung, Simon. Wer kann das schon sicher wissen? Aber ich versteh die ganze Aufregung nicht so recht: Es weiß doch sonst auch kein Mensch, wann genau er vor seinen Schöpfer treten muss – aber dass es einmal geschieht, ist jedem klar. Dann müsste doch auch in einem normalen Jahr jedermann verrückt spielen, weil er möglicherweise in der nächsten Minute tot umfallen könnte. Aber das wiederum hat bis vor Kurzem keiner getan. Erst jetzt, wo das Jahr 1000 vor der Tür steht, neigen die meisten Menschen dazu, ihren Verstand zu verlieren«, ereiferte sich Griseldis.
    »Ja, da hast du recht. Du bist aber auch eine ganz Gescheite, Seldi«, schmeichelte der nicht eben mit besonderer Klugheit gesegnete Knecht dem aufrecht neben ihm herschreitenden Mädchen.
    »Dazu braucht es nicht viel, Simon«, lachte Griseldis, »höchstens ein bisschen gesunden Menschenverstand – aber der ist in Zeiten wie diesen anscheinend recht rar geworden.«
    Als sie am Hof von Simons Bauern angekommen waren, rief man sie gleich in die Stube. Das Weib hatte mithilfe eines Mannes vom Gesinde den immer noch besinnungslosen Hausherrn auf ein aufgebocktes Brett gelegt, den Esstisch der Bauersleute.
    »Er hat mit einer Streitaxt eins über den Kopf gezogen gekriegt, aber zum Glück nur mit der Breitseite der Klinge«, murmelte Griseldis, als sie mit ihrer Untersuchung fertig war. »Außerdem hat dein Mann einen gebrochenen Ellenbogen, Bäuerin. Das Gelenk heilt nur sehr schwer; mach dich also darauf gefasst, dass sein rechter Arm steif bleiben wird.«
    »Heißt das, der Bauer wird nicht sterben?«
    Zaghaft waren diese Worte von den blassen Lippen der Frau gekommen, die ganz offensichtlich guter Hoffnung war – zum neunten Male, wie Griseldis rasch nachgerechnet hatte.
    »Aber nein, Afra. Dein Mann überlebt den Hieb schon. Sein Dickschädel ist hart und die Axt hat ihn zum Glück nur gestreift. Eine schwere Gehirnerschütterung hat er, deshalb ist er noch ohne Bewusstsein. Ich wasche ihm jetzt vorsichtig das Blut ab, dann sieht der Bauer gleich wieder besser aus. Danach kümmere ich mich um seinen Arm.«
    Hauptsächlich waren es die einfachen Leute, die die Hilfe der Heilerin in Anspruch nahmen. Einen Medicus, soweit es in der Nähe überhaupt einen gab, konnten sich die Landbewohner nicht leisten. Griseldis hingegen war sehr mäßig in ihren Forderungen und ganz arme Teufel behandelte sie in aller Regel sogar umsonst.
    »Bet ein Vaterunser für mich«,
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