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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig
Autoren: Roberta Rich
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Würde er Gift trinken, damit sein Feind stirbt?«
    Isaak rief: »Hannah!«
    In der Menge kam ein Murmeln auf.
    »Hört sie?«, sagte Joseph. »Jetzt, wo er sie gesehen hat, werden seine Qualen noch schmerzhafter sein.«
    Wie sollte sie mit diesem Wüstling umgehen? Hannah wollte ihm ihre Tasche mit den Dukaten ins Gesicht werfen, Isaak packen und mit ihm davonlaufen, aber sie sagte: »Was wird ihm der Galeerenkapitän für ihn geben? Das zahle ich ihm und lege noch einiges drauf.«
    Joseph legte die Stirn in Falten und wollte ihr antworten, aber ein paar Männer aus der Menge kamen ihm zuvor: »Die Frau braucht einen Vater für das Kind in ihren Armen, Joseph. Sei großherzig.« Andere machten ähnliche Bemerkungen, und ihre Aufforderung schwoll zu einem wahren Chor an.
    »Zehn Dukaten«, sagte Joseph. »Selbst noch der schlechteste Ehemann ist so viel wert.«
    Sie hatte immer noch ihre hundertfünfzig Dukaten, aber sie wollte verdammt sein, diesem Kerl auch nur einen Scudo mehr als nötig zu geben. »Er hat ihn schlecht behandelt. Sehe er doch nur, wie dürr er geworden ist. Als er Venedig verließ, war er gutaussehend und hatte noch alle Zähne.«
    »Er kann ihr immer noch das Bett füllen, Signora, und sie mit einem Bruder für den Bengel in ihren Armen versorgen.«
    »Gib ihm nicht mehr als zwei!«, rief eine Stimme hinter ihr.
    Hannah sah sich um. Da stand eine korpulente Nonne in brauner Tracht mit einem weißen Hund unter dem Arm.
    »Für fünf Dukaten gehört er ihr«, antwortete Joseph.
    Hannah griff in ihre Tasche, fand den Geldbeutel mit den Dukaten, holte fünf davon heraus und warf sie ihm zu, bevor er seine Meinung ändern konnte. Er fing sie geschickt und steckte sie in die Tasche.
    Die Wärter befreiten Isaak von den Eisen um Hals und Hände, die laut klirrend auf dem Podium landeten. Isaak ging auf unsicheren Beinen über die Bühne zu Hannah hinüber, und sie stiegen gemeinsam die Stufen hinunter.
    All die Dinge, die sie ihm hatte sagen wollen, alle Reden, die sie eingeübt hatte in den zahllosen, endlosen Nächten, in denen sie aus Sehnsucht nach ihm nicht hatte schlafen können, all die Liebesworte, die sie für ihn gesammelt hatte … Nichts davon wollte ihr in diesem Moment einfallen.
    Am Fuß der Treppe angekommen, blieb sie stehen und sah ihn an, trank seinen Anblick, und Isaaks Augen liefen über vor Freude. Grinsend zeigte er ihr seine Zähne, die alle noch da waren, kräftig und weiß trotz all der Entbehrungen, die er hatte durchmachen müssen.
    »Du bist es tatsächlich«, sagte er. »Ich hatte schon Angst, du wärst eines der Trugbilder, die mich aus Hunger und Durst immer wieder befallen.«
    Sie gingen hinüber zu der ruhigen Ecke des Platzes, zu dem Olivenbaum, wo er so oft gesessen und für die Leute Briefe und Verträge geschrieben hatte. Er half ihr, sich auf den Holzstumpf zu setzen, ließ sich neben ihr nieder, beugte sich vor und zog das Tuch um ihr Bündel etwas zurück.
    »Ein Kind? Wie kommt das denn her?«
    Matteo wand sich in ihren Armen.
    »Isaak«, sagte Hannah, den Blick auf das Baby gerichtet, »ich habe dir einen Sohn gebracht.«
    »Mein Gott, haben wir den noch zusammen gezeugt?«
    Vielleicht war es das Klügste, Isaak in diesem Glauben zu lassen, wollte sie ihn nicht ein weiteres Mal verlieren. Aber eine Ehe, die auf einer Lüge gründete, war wie ein Haus, das auf Sand gebaut war. Sie holte tief Luft.
    »Ich habe sein Leben gerettet, ihn aber nicht selbst geboren.«
    »Wer sind seine Eltern?«, fragte Isaak.
    »Seine Mutter und sein Vater sind tot.«
    Isaak schien eine weitere Frage stellen zu wollen, doch Hannah unterbrach ihn.
    »Ich bin nicht seine Mutter. Ich könnte dir nie untreu sein.«
    Er wartete auf mehr.
    »Isaak, ich muss dir so viel erzählen, so viel erklären, aber vorher sag mir, dass du dieses Kind als dein eigenes annehmen willst.«
    Isaak wirkte einen Moment lang nachdenklich. »Wie hat er die Reise überlebt?«
    »Mit Glück und Gottes Hilfe.«
    Isaak befühlte den Schaddai, der an seiner roten Kordel um Matteos Hals hing. »Ist er ein jüdisches Kind?«
    »Wenn du ihn das erste Mal ohne Wickeltücher siehst, weißt du, dass er kein Jude ist.« Sie machte eine Pause. »Aber wir können ihn großziehen, wie wir es uns vorstellen. Wir werden ihn zu unserem Sohn machen. Wir werden ihn beschneiden lassen. Gemeinsam, zu dritt, werden wir die Mikwe vornehmen und ins Wasser tauchen. Hier in Valletta, wenn du willst, vor unserer Abreise.« Ihre Stimme
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