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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig
Autoren: Roberta Rich
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sagte er: »Am besten fragt sie auf dem zentralen Platz nach ihm, bei der Sklavenauktion. Früher oder später kommen sie alle dorthin.«
    Hannah nahm eine Kutsche zum Platz und schob sich durch die Menge, die sich den Verkauf der Sklaven ansah.
    Die Erde unter ihren Füßen wollte nicht stillstehen. Sie schien so kräftig zu schwanken wie die Planken der Balbiana . Die Leute drängten sich eng um sie, und Hannah musste um Luft kämpfen. Oben auf einer erhöhten Plattform stand eine Reihe Männer mit Fußeisen, Türken, Nubier, Mauren, alle abgemagert und mit stumpfem Blick. Isaak konnte unmöglich einer dieser Männer sein, die körperlich und geistig so abgestumpft wirkten, dass sie weder die Stimme des Auktionators noch die gleißende Sonne zu interessieren schien. Sie hörte zwei Zuschauer neben ihr von einem Sklaven reden, der ins Meer gesprungen war, um dem Hammer des Auktionators zu entkommen. Das ist verständlich, dachte sie. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen.
    Mit Peitschen in der Hand trieben die Wärter noch mehr aneinandergekettete Sklaven heran, die in der ungewohnten Helligkeit blinzelten und mutlos dahintrotteten. Würde sie Isaak überhaupt wiedererkennen, wenn er unter ihnen war? Sie reckte den Hals und nahm Matteo auf den anderen Arm. Ganz am Ende kam ein Mann mit einem Bart und einem zerrissenen Hemd. Er war der Einzige in der ganzen Gruppe, der noch einen Willen in sich zu tragen schien. Er hielt sich gerade und das Kinn gereckt, fast so, als wollte er die Wachen auffordern, ihn mit ihren Peitschen zu malträtieren. Sie rieb sich die Augen mit einem Zipfel von Matteos Wickeltuch und sah noch einmal hin. Groß und immer noch gutaussehend. Dünner, ja, aber mit schwarzen Augen und einem kräftigen Kinn. Erleichterung erfüllte sie.
    Es war Isaak. Er lebte.
    »Isaak! Isaak!«, rief sie.
    Die Menschen auf dem Platz drehten sich zu ihr um und starrten sie an. Isaak sah nicht zu ihr hin. Sie war zu weit weg. Er konnte sie nicht hören.
    Matteo fest an sich drückend, schob sich Hannah zur Plattform vor und stieg die Treppe hinauf. Dabei hielt sie das Geländer fest gepackt, denn ihre Beine, die das Schaukeln des Schiffes gewohnt waren, gaben ständig nach und sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Einer der Wärter fasste sie beim Arm und versuchte, sie zurückzuhalten. Er sagte etwas zu ihr, aber die Worte kamen nicht bei ihr an. Beherzt befreite sie sich aus seinem Griff.
    »Bitte, unterbrecht den Verkauf!«, rief Hannah dem Auktionator zu. »Ich habe das Lösegeld für den Mann dort!« Sie deutete auf Isaak.
    Isaak wandte den Blick und versuchte auszumachen, woher die ihm so vertraute Stimme kam. Als er Hannah sah, glitt staunendes Entzücken über sein Gesicht. Hannah versuchte auch noch die letzten Stufen emporzusteigen, aber die Wärter hielten sie zurück.
    »Sie darf den Verkauf nicht unterbrechen, Signora. Dieser Mann steht nicht zum Verkauf. Wir bewachen ihn nur, bis sein Eigentümer kommt und ihn abholt. Soldaten haben ihn heute Morgen aus dem Meer gefischt, als er fliehen wollte.« Der Auktionator sprach einen komisch harten Dialekt, den sie kaum verstand, aber die Bedeutung schien klar, den Furchen auf seiner Stirn nach zu urteilen.
    »Mein Mann gehört niemandem!«
    »Das wird sie mit Joseph ausmachen müssen. Ah, da kommt er ja.«
    Sie war Isaak jetzt ganz nahe, nur ein paar Schritte waren es bis zu ihm, und doch schien er ihr noch so fern. Sie würde ihn nicht ansehen, bis er sicher bei ihr war.
    Der beleibte, untersetzte Mann namens Joseph stapfte auf die Bühne und schob sich dabei an Hannah vorbei. »Gebt ihn her«, sagte er zum Auktionator. »Ich weiß, wie man Ausreißer behandelt. Morgen legt eine Galeere ab, die noch Männer braucht. Das wird sein Ende sein.«
    Er drehte sich um und sah die Frau, die oben auf den Stufen stand, an. Hannah hob ihre freie Hand und legte sie auf Josephs Arm. »Er ist mein Mann. Ich werde ihn ihm abkaufen.«
    »Nicht mit ihrem Leben. Er hat mir schon zu viel Ärger gemacht. Da werde ich ihn nicht noch belohnen, indem ich ihn an sie verkaufe. Ich habe andere Pläne mit ihm.«
    »Er hat mir auch schon viel Ärger gemacht«, sagte Hannah. »Das liegt in seiner Natur. Würde er ihn da nicht lieber für einen guten Preis loswerden?«
    »Ich will, dass er langsam und elend auf einer Galeere verreckt.«
    »Er würde sich also um sein Geld bringen, nur für das Vergnügen, ihn leiden zu sehen? Dazu ist er doch sicher zu weise. Überlege er nur.
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