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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Autoren: John Verdon
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dem Jahr, seit sie es besaßen, hatten die Gurneys die unglücklichen Neuerungen des Voreigentümers rückgängig gemacht. Zum Beispiel hatten sie die kahlen Aluminiumfenster durch welche aus Holz ersetzt, die das Licht nach Art eines früheren Jahrhunderts teilten. Das taten sie nicht aus einem übertriebenen Authentizitätswahn, sondern in der Überzeugung, dass die ursprüngliche Ästhetik irgendwie richtig gewesen war. Die Frage, wie das eigene Heim aussehen und sich anfühlen sollte, gehörte zu den Themen, über die zwischen Madeleine und David völlige Einigkeit herrschte - eine Liste, die in letzter Zeit eher geschrumpft war, wie ihm schien.
    Ausgelöst von Madeleines Äußerung über das Porträt, an dem er arbeitete, nagte dieser Gedanke nun schon den halben Tag wie Säure an seiner Laune. Und er lauerte noch immer am Rand seines Bewusstseins, als er am
Nachmittag nach dem Zwiebelsetzen in seinem Lieblingsliegestuhl vor sich hin döste und plötzlich ihre Schritte im knöcheltiefen Gras hörte. Als sie vor seinem Stuhl anhielten, öffnete er ein Auge.
    »Meinst du, es ist schon zu spät, um das Paddelboot rauszuholen?« Ihre ruhige Stimme platzierte die Worte gewandt zwischen Frage und Herausforderung.
    Madeleine war eine schlanke, athletische Fünfundvierzigjährige, die man ohne weiteres auf fünfunddreißig schätzen konnte. Sie musterte ihn mit offenem, festem Blick. Mit Ausnahme einiger verirrter Strähnen war ihr langes braunes Haar unter dem breitkrempigen Strohhut verborgen.
    Er antwortete mit einer Frage, die ihn beschäftigte. »Findest du es wirklich hässlich?«
    »Natürlich«, erwiderte sie ohne Zögern. »Es soll doch hässlich sein, oder nicht?«
    Stirnrunzelnd dachte er nach. »Du meinst den Gegenstand?«
    »Was sollte ich denn sonst meinen?«
    »Keine Ahnung.« Er zuckte die Achseln. »Deine Bemerkung vorhin klang, als wäre dir das Ganze zuwider - nicht nur der Gegenstand, sondern auch die Ausführung.«
    »Tut mir leid.«
    Er hatte nicht das Gefühl, dass es ihr leidtat. Doch bevor er diesen Eindruck in Worte fassen konnte, wechselte sie das Thema.
    »Freust du dich schon auf das Treffen mit deinem alten Studienfreund?«
    »Nicht besonders.« Er stellte die Rückenlehne seines Stuhls eine Kerbe tiefer. »Mit Erinnerungen an die Vergangenheit hab ich’s nicht so.«
    »Vielleicht hat er einen Mord im Gepäck, den du klären sollst.«

    Aufmerksam registrierte Gurney ihren vieldeutigen Gesichtsausdruck. »Meinst du, das ist es, was er von mir will?«
    »Bist du dafür nicht berühmt?« Ärger kroch in ihre Stimme.
    In den letzten Monaten hatte er das schon so oft beobachtet, dass er zu verstehen glaubte, worum es hier ging. Sie hatten einfach verschiedene Vorstellungen davon, was seine Pensionierung bedeutete, welche Veränderungen sie in ihrem Leben bewirken sollte, und vor allem, wie sie ihn verändern sollte. Dazu kam in jüngster Zeit der Unmut über seine neue Nebenbeschäftigung - das Projekt mit den Mörderporträts, das ihn ganz in Anspruch nahm. Außerdem hatte er den Verdacht, dass Madeleines negative Einstellung zu dieser Tätigkeit teilweise mit Sonyas Begeisterung zusammenhing.
    »Hast du gewusst, dass er ebenfalls berühmt ist?«, fragte sie.
    »Wer?«
    »Dein Studienfreund.«
    »Eigentlich nicht. Er hat am Telefon was erwähnt von einem Buch, das er geschrieben hat, und das hab ich kurz überprüft. Aber dass er wirklich bekannt ist, hätte ich nicht gedacht.«
    » Zwei Bücher«, entgegnete Madeleine. »Er ist der Leiter von so einem Institut in Peony und hat eine Vortragsreihe angeboten, die auf PBS gelaufen ist. Ich hab dir Kopien der Buchumschläge aus dem Internet ausgedruckt. Vielleicht willst du mal einen Blick darauf werfen.«
    »Bestimmt wird er mir sowieso alles Wissenswerte über sich und seine Bücher erzählen. Er klingt nicht gerade schüchtern.«
    »Wie du meinst. Ich hab dir die Kopien auf deinen
Schreibtisch gelegt, falls du es dir anders überlegst. Ach, und übrigens, Kyle hat vorhin angerufen.«
    Er starrte sie schweigend an.
    »Ich hab gesagt, du meldest dich bei ihm.«
    »Warum hast du mich nicht geweckt?«, entfuhr es ihm in ungewollt scharfem Ton. Sein Sohn rief nicht besonders oft an.
    »Ich hab ihn gefragt, ob ich dich holen soll. Er wollte dich nicht stören, es war wohl nicht besonders wichtig.«
    »Hat er sonst noch was gesagt?«
    »Nein.«
    Sie wandte sich ab und ging durch das dichte, feuchte Gras zurück zum Haus. Als sie die Hand auf den
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