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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten
Autoren: Stefan Wolf
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flüsterte Klößchen. „Aber wieso hat man
die fast fertigen Karten eigentlich in der Kassette gehortet, statt gleich
damit einkaufen zu gehen?“
    „Ich vermute“, sagte Tim, „das
Plastikgeld wird schubweise ins Ausland gebracht, denn diese kriminellen
Vereinigungen fusionieren ( verschmelzen ) untereinander, was
organisatorische Vorteile hat. Man tauscht Diebesgut aus, oder man übernimmt
gegen Festpreis. Der Inhalt unserer Kassette wäre vielleicht für Kanada
bestimmt gewesen, für England oder Portugal. Wenn die Karten dort zwecks
Einkaufs verwendet werden, entsteht dem hiesigen Konteninhaber die Belastung
nicht sofort, sondern erst nach Wochen. Noch ein krimineller Vorteil für die
Fälscher.“
    Karl sagte: „Wann verständigen
wir Gabys Vater?“
    „Sobald wir mehr wissen“,
grinste Tim. „Außerdem geht’s im Moment nicht. Er ist bestimmt noch mit der
Razzia beschäftigt. Vielleicht ist Bruno Zapp gerade eingekreist worden und
beginnt, wild um sich zu schießen. Ich wäre gern dabei, aber jetzt kommt unser
Essen.“
    Der dünne Kellner servierte.
Der Tee dampfte. Als Einladung des Hauses wurden auch drei kleine Schälchen mit
Pflaumenwein gereicht. Aber den ließen die Jungs zurückgehen, dankend, denn
Alkohol, in welcher Form auch immer, ist nicht ihr Ding.
    Gefräßige Stille entstand,
schien den Tisch zu umhüllen, nur unterbrochen von Klößchens Kaugeräuschen und
dem Klappern des Bestecks.
    Hm! dachte Tim. Hier sitzen wir
nun, machen Spesen wie ein Handelsvertreter, und nichts passiert. Ich muß
hinter die Privattür linsen. Unbedingt!
    In diesem Moment traf ein
kalter Hauch sein Genick, denn die Eingangstür hatte sich geöffnet, und ein
Mann kam herein — mit Schritten und Auftritt, als gehöre ihm dieser Laden.
    Tim hatte den Kopf gewandt.
    Der Mann war mittelgroß.
Mehrere Sonnenbrände hatten seine Haut zu braunem Leder gemacht. Aber er war
Mitteleuropäer, vermutlich Deutscher, hatte eine Halbglatze und sperrige Zähne,
die er jetzt — grundlos grinsend — zeigte.
    Der dünne Kellner schoß auf ihn
zu.
    „Einen Tisch, mein Hell?“
    „Nein, Konfuzius. Ich bin kein
Gast. Ich bin ein Freund des Hauses. Kennst mich noch nicht, wie? Wohl neu
hier, was? Ja, ich war auch lange in der Türkei. Aber jetzt bin ich zurück und
will deinen Chefs die Aufwartung machen. Sind sie da? Ich meine die ehrenwerten
Herren Grünert, Blazen und Ti.“
    „Jaja, sind da. Wen dalf ich
melden?“
    „Sag ihnen, der Arnold sei da.
Der Arnold aus Istanbul.“
    „Del Alnold aus Istanbul.“
    „So ist es.“
    „Sie vielleicht mitkommen...“
    Der Kellner schlurfte voran,
und Arnold folgte mit seinen raum- und besitzergreifenden Schritten.
    Zum siebenschwänzigen Drachen!
dachte Tim. Das ist bestimmt kein naher Verwandter. Dieser Arnold aus Istanbul
könnte...
    Der TKKG-Häuptling beugte sich
zu seinen Freunden und zischelte. „Ich spür’s. Das ist so einer. Ein Kurier. Der
will die Kreditkarten abholen. Die Fälschungen. Nicht für Kanada, nicht für
England, nicht für Portugal, sondern für die Türkei.“
    Karl schob zweifelnd die Brauen
auf seiner Denkerstirn aufwärts. „Bei aller Liebe zu unseren türkischen
Freunden — das ideale Einkaufsland ist das nicht.“
    „Doch!“ schaltete sich Klößchen
ein. „Ich mag türkischen Honig. Und sicherlich kann man inzwischen auch für
Bauchtanzvorführungen mit Karte berappen.“
    „Ihr Dumpfgeister!“ zischelte
Tim und stand auf. „Eßt weiter! Ich inspiziere das Klo.“
    Der dünne Kellner hatte
inzwischen an die Privattür geklopft, dann den Arnold durch den Türspalt
annonciert und ihn eingelassen. Der Kellner war zur Küche geschlurft, und
hinter der Privattür tat sich ganz bestimmt Wichtiges.
    Unmittelbar daneben war die
Damentoilette, die Herrentoilette eine Tür weiter.
    Tim eilte also zum Männer-WC,
obwohl er nichts außer brennender Neugier verspürte.
    Vorraum, Toilettenraum mit
sechs Pieselbecken, drei Klokabinen, schwaches Licht, zwei Fenster zum Hof.
Beide waren vergittert.
    Scheibenkleister! Unerhört
dieses Mißtrauen! Gab’s denn hier Zechpreller, die durchs Toilettenfenster
türmten und womöglich noch die Eßstäbchen mitnahmen?!
    Aber so was machen nur Männer,
überlegte Tim. Die bessere Hälfte der Menschheit ist dafür zu fein.
    Er verließ die Toilette und
verharrte auf dem Gang davor. In der Küche zerbrach ein Teller, und ein
wütender Chinese schimpfte in seiner Muttersprache. Tim hätte es gern
verstanden. Vom Lokal
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