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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten
Autoren: Stefan Wolf
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her schickten Karl und Klößchen fragende Blicke. Die
beiden Kellner fürs Obergeschoß waren nicht zu sehen, der dünne Kellner befand
sich in der Küche, und die beiden Gastpärchen waren ausgegrenzt aus dem
Blickfeld.
    Tim wieselte in die
Damentoilette und schloß die Tür hinter sich.
    Hier roch es genauso desinfizierlich
wie nebenan, aber auch ein bißchen nach Parfüm.
    Wichtig war: Kein Gitter am
Fenster. Tims Vermutung war richtig.
    Er öffnete einen der Flügel,
schwang sich hinaus, setzte die Füße auf einen Stapel leerer Bierkästen,
balancierte, ließ den Blick durch einen finsteren Hinterhof wandern, zog das
Fenster zu und sprang vorsichtig, nämlich lautlos, auf den gepflasterten Boden.
    Kalter Nachtwind pfiff um die
Ecke. Tim trug nur seinen Pullover, und jede Masche schien die Kälte
hereinzulocken. Aber schließlich ist man ja abgehärtet. Der TKKG-Häuptling
duckte sich unter das erleuchtete Fenster, das zu dem Privatraum gehörte,
stellte aber fest: Ein Vorhang verwehrte den Einblick. Tim konnte sich
aufrichten.

    Der Vorhang war hell und dünn.
Mit dem Ohr an der Scheibe, verstand Tim jedes Wort.
    „...will ich wenigstens den
Dezember in der Heimat verbringen“, sagte Arnold gerade. „Weihnachten! Wie das
zu Herzen geht! Schließlich ist man ja Christ. In Istanbul komme ich nicht in
die richtige Stimmung. O Tannenbaum auf Türkisch — das bringt’s einfach nicht.
Wie geht’s euch? Du siehst zufrieden aus, Günther.“
    Das galt sicherlich dem
Geschäftsführer Grünert. Eine vollfette Stimme antwortete.
    „Ja, Arnold. Wir sind
zufrieden. Hähäh! Wer Sklaven hat, kann zufrieden sein. Arbeitssklaven. Hähäh!
Ich meine das junge Pärchen, das du uns geschickt hast.“
    „Traugott Brigg und Michaela
von Kante.“ Auch Arnold lachte. „Naivität in Reinkultur, was! Die haben
tatsächlich geglaubt, sie hätten ein Heroinpaket mitgekriegt. Zum
Einschmuggeln. Mehl war drin. Nichts als Mehl. Mehl wurde ihnen geklaut, und
die Falle ist zugeschnappt. Wie hoch habt ihr die beiden verschuldet?“
    „Wir waren gnädig“, erwiderte
Grünert. „220 000 haben wir ihnen angerechnet, den angeblichen Einkaufspreis.“
    „Das arbeiten sie jetzt ab?“
    „Sie besorgen uns
Kreditkartendaten. Mit dem Mut der Verzweiflung. Sie arbeiten mit K.
o.-Tropfen. Ziemlich tüchtig. Und vorhin ist was Kurioses passiert. Wir haben
uns vor Lachen fast in die Hose gemacht.“
    „Tatsächlich? Was war denn?“
    „Heute vormittag hat ein
Bankräuber den Schließfachraum vom Bankhaus Schneider und Pleitzke geknackt.
Ausgerechnet unser Fach dort hat er sich vorgenommen. 82 000 waren drin. Und
‘ne Kassette mit Kreditkartenrohlingen.“
    „Soso“, sagte Arnold. „Und was
ist daran komisch?“
    „Der Bankräuber hat seine Beute
verloren. Wahrscheinlich weil er von allen Bullen gejagt wurde. Tja, und wer
findet die Tasche mit dem Zaster? Unser Pärchen. Und sie bringen es her, um
damit ihre Schulden zu verringern. Amüsant, was?“
    „Habt ihr ihnen das
angerechnet?“
    „Wir sind doch nicht meschugge.
Es ist unser Geld.“
    „Und die Kassette mit den
Plastikflebben?“
    „Die ist leider verschwunden.
Das macht uns Sorgen.“ Zu Recht! dachte Tim. Er hatte seine Verblüffung im
Griff und war wieder ganz cool, was auch schneller gelang wegen der leichten
Bekleidung.
    Im selben Moment knarrte vorn
das Hoftor.
    Tim tauchte hinter fünf
hüfthohe Abfalltonnen, zwei waren für Restmüll bestimmt, drei für recycelfähige
Endprodukte. Sie rochen schon jetzt, nämlich wie der ungenießbare Teil von
Haifischflossen.
    Kauernd spähte Tim durch den
Spalt zwischen zwei Tonnen. Die Augen hatten sich der Dunkelheit angepaßt. Er
sah, wie sich das straßenseitige Tor öffnete. Ein Mann trat auf den Hof, hielt
sich geduckt und schlich heran. Unter dem PRIVAT-Fenster richtete er sich auf,
und Tim konnte das derbe Gesicht erkennen mit dem Mongolenbart.
    Bruno Zapp, der Bankräuber, war
seiner Beute — den 82 000 DM — gefolgt bis hierher.

22. Sprünge durchs Fenster
     
    Er lauschte. Er lehnte sich an
die Mauer unterm Fenstersims und klebte ein Ohr, das rechte, an die Scheibe.
Zapps Gesicht war Tim zugewandt. Der TKKG-Häuptling konnte das Mienenspiel
verfolgen. Die Visage geriet in Verzückung.
    Drinnen wurde geredet. Für Tim
nur noch entferntes Gemurmel. Offenbar wurde über das Geld gesülzt. Grünert,
Blazen, Ti und Arnold, der Weihnachtsfan, waren sorglos.
    Tim wartete ab. Was tun? Wie
würde sich der Bankräuber
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