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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen
Autoren: Silke Scheuermann
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vernichtenden Blick zu.
    »Weißt du noch, als ich mit dir die Jeff-Wall-Ausstellung im Metropolitan angeschaut habe, da fiel mir das auf. Du lässt ja nicht nur Wall nicht gelten, du stehst dem gesamten Medium Fotografie total ablehnend gegenüber. Das ist doch, als würde ich sagen: Literatur ja, aber keine Lyrik, nur Prosa, am besten Romane …«
    »Nein«, sagte Anne beherrscht, »es wäre eher, als würdest du sagen: keine Kriminalromane. Und weißt du was? Ich würde es akzeptieren, weil ich nämlich weiß, dass du dich da besser auskennst als ich. Was umgekehrt nicht der Fall zu sein scheint: Du akzeptierst an mir gar nichts.«
    In dem Moment, als sie es aussprach, begriff sie, wie wahr diese Aussage war. Rebecca hatte sie unter ihre Fittiche genommen, weil sie die kleine Deutsche war, die nicht in der großen Stadt klarkam. Aber sobald sie eine eigene Frau mit einer eigenen Vergangenheit, eigenen Freunden und Verwandten war, die Rebecca nicht kannte und nicht kontrollieren konnte, da galt sie nichts mehr. Ja – sie hatte eine eigene Vergangenheit, mit all ihren düsteren Seiten. Niemals würde sie Rebecca von Mark Taunstätt erzählen, wie hatte sie daran auch nur denken können!
    »Und überhaupt: selbstständig!«, fuhr sie mit schriller Stimme fort. »Was meinst du denn damit? Was weißt du denn schon über Selbstständigkeit, hm? Woher willst du das denn wissen? Du bist es doch, die noch bei ihren Eltern wohnt!«
    Rebecca hörte regungslos zu. Das flackernde Licht der Kerze mitten auf dem Tisch ließ ihre Augen dunkel glänzen.
    Die Sache mit den Eltern war ein Hieb unter die Gürtellinie gewesen, so viel war Anne durchaus klar. Denn Rebecca krankte sehr an ihrer Familie, viel mehr, als man es angesichts des Geldes und ihres Status glauben könnte.
    Jetzt sah sie fürchterlich verletzt aus. Wenn Anne sich nicht todsicher gewesen wäre, dass ihre Anschuldigungen begründet waren, hätte sie ihr leidgetan. So aber wartete sie gespannt auf eine Antwort.
    »Mir ist klar, dass du sehr verwirrt bist wegen der schlechten Nachricht von deiner Tante«, sagte Rebecca langsam, »und du hast vielleicht etwas viel getrunken. Wir sollten morgen weitersprechen. Hast du überhaupt schon etwas zu Abend gegessen?«
    Dieses scheinbare Verständnis und die Herablassung, die darin mitschwang, machten Anne fuchsteufelswild. Der Kellner kam mit Speisen beladen zum Nachbartisch und wurde unter großem Hallo empfangen.
    »Ihr guckt so neidisch«, rief Prinz Harry. »Setzt euch zu uns und bestellt auch was. Zwei kleine Salate zum Beispiel.« Er war anscheinend der amtierende Scherzbold der Gruppe.
    Ohne nachzudenken stand Anne auf, nahm ihren Stuhl in die Hand und trug ihn ein paar Meter weiter. Für alles, was von nun an passierte, wäre Rebecca verantwortlich, nicht sie. Sie setzte sich zwischen Mark Taunstätt und den Witzbold, der, erschrocken vom Erfolg seiner Einladung, viel mehr Platz schaffte, als nötig gewesen wäre.
    »John, rutsch du halt auch ein Stück!«, sagte er dann, als er merkte, dass sein Teller auf dem Boden landen würde, wenn er ihn noch ein Stück weiter nach links bewegte.
    Aha, dachte Anne, Mark heißt also John. Wie Prinz Harry hieß, hatte sie längst vergessen, und der hübsche Blonde hatte sich nicht vorgestellt, auch gut.
    »Hallo, Anne«, sagte John, ohne den Blick von seinem Essen zu nehmen, und schob ihr die Speisekarte hin, nicht besonders freundlich, aber Anne, die als Referenz schließlich Mark hatte – eine Frau mit Vergangenheit! –, wusste, dass das nicht viel zu bedeuten hatte. Zumindest, was ein bestimmtes Interesse anging. Während sie die Karte studierte, hörte sie, wie Rebecca hinter ihr aufstand, ihren Anorak und die Zigaretten nahm und ging. Diese blöde Kuh. Einen Moment lang kam Anne ihre Weltläufigkeit abhanden – wie sollte sie sich jetzt verhalten, inmitten einer Männerrunde? Es stand quasi drei zu eins, dadurch, dass die dumme Nuss sich verdrückt hatte. Anne starrte weiter auf die Speisekarte, dann sah sie auf den Teller des Blonden. Das Cheese Steak sah verdammt lecker aus. Warum waren es immer die schönen Menschen, die sich so verdammt ungesund ernährten? Weil sie es nicht nötig hatten, sich Mühe zu geben? Sie klappte die Speisekarte zu. Prinz Harry und der Blonde unterhielten sich über Baseball – oder war das Football? –, wobei sie anscheinend an ein voriges Gespräch anknüpften. Anne rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und wünschte sich weit
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