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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
Autoren: Anna Grue
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hatte rote Wangen vor Zorn. »Alle, bei denen diese Mädchen putzten, bezahlten dafür an Henriette. Sie behielt jeden Monat fünftausendzweihundert Kronen ein. Mit anderen Worten, ihre Ausgaben für die Haushaltshilfen waren mehr als halbiert, und die Mädchen bekamen jeweils tausendfünfhundert Kronen zusätzlich zu ihrem festen Lohn, damit sie ihren Familien etwas mehr schicken konnten. Viele hatten ja selbst Kinder zu Hause in Manila.«
    »Meine Güte, was ’ne Sauerei«, sagte Benjamin.
    »Ja, nicht?«
    »Wieso ließen sie das mit sich machen?«
    »Sehr einfach. Obwohl wir der Ansicht sind, dass die Mädchen ausgenutzt wurden, war das von ihrem Standpunkt aus gesehen nicht ganz so eindeutig. Sie verdienten erheblich mehr als zu Hause, und sie waren in der Lage, auf diese Weise ihre Familien zu versorgen.« Marianne prüfte, ob in einer der anderen Bierflaschen noch ein Schluck war. »Genau das hat Henriette mir erklärt. In ihrem kranken Hirn glaubte sie wirklich, sie hätte den Mädchen einen Gefallen getan, indem sie sie so brutal ausnutzte. ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ nannte sie das obendrein. Sie prahlte damit, dass sie und Kurt vier philippinische Familien versorgen würden. Ich war damals kurz davor, ihr eine Ohrfeige zu geben.«
    Flemming machte ein nachdenkliches Gesicht. »Vielleicht hat so diese ganze Netzwerkidee angefangen«, überlegte er. »Dieses System enthält jedenfalls das gesamte Prinzip von Chick Support Global. Einige wohlhabende Damen beschließen, einer Anzahl armer Mädchen zu helfen, da macht es doch nichts, wenn man gleichzeitig selbst gut daran verdient.«
    »Ist Henriette inzwischen aufgewacht?«, erkundigte sich Marianne.
    »Ich habe heute Morgen mit Kurt gesprochen. Da war sie noch nicht wieder bei Bewusstsein«, antwortete Dan.
    »Und ich habe mit dem Oberarzt gesprochen. Er sagt, sie bliebe aller Wahrscheinlichkeit nach vom Hals abwärts gelähmt«, berichtete Flemming. »Ich hoffe, dass sie zumindest bis zum Prozess wieder zu sich kommt.«
    »Bist du nicht etwas zynisch?«
    »Sicher. Aber war es nicht auch zynisch, als sie Lilliana umgebracht hat?«
    »Ja, schon klar. Und trotzdem.« Marianne stand auf, um noch ein paar Flaschen Bier zu holen. Sie reichte Flemming eine Flasche, der allerdings den Kopf schüttelte.
    »Nein, danke«, sagte er. »Ich muss in einer Stunde ins Büro.«
    »Am Sonntagnachmittag?«
    »Es ist wichtig, schnell zu handeln, wenn so viele Personen beteiligt sind. Unter anderem werde ich mich länger mit Jo unterhalten müssen, der Freundin von Sally. Sie soll mir sagen, welche anderen Mädchen in der Jernbanegade Sklavinnen in den Bordellen von Curt Loos gewesen sind. Je mehr wir kennen, bevor sie neue Zufluchtsstätten finden, desto besser.«
    »Habt ihr daran gedacht, wie schwer es sein wird, eine Putzfrau zu finden, wenn sie alle nach Hause geschickt werden?«, sagte Marianne.
    »Sex und Saubermachen«, warf Laura ein.
    »Was sagst du?«
    »Dazu brauchen die Leute ausländische Frauen: zum Sex und zum Saubermachen. Es ist das, wozu westliche Frauen keine Lust mehr haben.«
    »Das gilt aber nicht für alle«, lachte Marianne. »Manche von uns haben nur das Putzen satt.«
    »Was passiert eigentlich mit den Mädchen, wenn sie ausgesagt haben?«, fragte Alice plötzlich. Alle sahen sie überrascht an. Zum ersten Mal seit Tagen machte sie den Mund auf, ohne vorher gefragt worden zu sein. Vielleicht wurde ihr allmählich klar, dass John für immer verschwunden war und sie nicht mehr in ständiger Angst leben musste. »Sie werden doch irgendeine Form von Hilfe bekommen, oder?«
    »Tja«, begann Flemming ein wenig zögerlich.
    Marianne schnitt ihm das Wort ab: »Abgesehen von etwas psychologischer Hilfe und einem Gespräch mit einem Sozialarbeiter gibt es keinerlei Hilfe, Alice. Nach einhundert Tagen werden die Frauen in die Länder zurückgeschickt, aus denen sie gekommen sind, egal wie hilfreich sie bei der Aufklärung des Falles waren. So lautet das Gesetz.«
    »Das ist doch ungerecht.«
    Marianne zuckte mit den Achseln. »Das meint der Rest der zivilisierten Welt auch. Aber die Regierung hält an der Regelung fest.« Sie trank einen Schluck Bier und fügte hinzu: »Das Schlimmste ist, dass alle Menschen, auch die Politiker, ganz genau wissen, was die armen Mädchen zu Hause erwartet.«
    »Was meinst du?«
    »Sie sind ja nicht gerade reich geworden mit ihrem Sklavinnendasein in irgendeinem dänischen Bordell. Und wenn sie in ihre Heimatländer zurückkommen,
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