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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Maß lebendig, in dem sie in Kontakt mit anderen stehen. Eine einsame Kultur hätte nicht verdient, so genannt zu werden.
     
    U. E.: Eines Tages kam meine Sekretärin auf die Idee, einen Katalog meiner Bücher aufzustellen, um ihren Standort genauer zu bestimmen. Ich habe sie davon abgebracht. Wenn ich dabei bin, mein Buch über Die Suche nach der vollkommenen Sprache zu schreiben, werde ich die Bibliothek im Hinblick auf dieses Kriterium betrachten und umstellen. Welche Bücher sind am ehesten geeignet, meine Überlegungen zu dem Thema zu fördern? Wenn ich damit fertig bin, werden einige in die Abteilung für Linguistik zurückkehren, andere in die für Ästhetik, aber andere sind schon für neue Recherchen in Gebrauch.
     
    J.-C. C.: Es gibt wirklich nichts Schwierigeres, als eine Bibliothek zu ordnen. Es sei denn, man würde sich daranmachen, ein wenig Ordnung in die Welt zu bringen. Wer würde das wagen? Wie wollen Sie ordnen? Nach Sachgebieten? Aber dann hätten Sie Werke sehr unterschiedlichen Formats beieinanderstehen, und Sie müssten Ihre Regale neu anpassen.Dann also nach Format? Nach Epochen? Nach Autoren? Sie haben Autoren, die über alles geschrieben haben. Wenn Sie sich für eine Anordnung nach Sachgebieten entscheiden, wird ein Autor wie Kircher in sämtlichen Abteilungen auftauchen.
     
    U. E.: Leibniz hat sich dasselbe Problem gestellt. Und für ihn war das eine Frage der Organisation des Wissens. Dasselbe Problem, das sich D’Alembert und Diderot im Zusammenhang mit der Encyclopédie stellten.
     
    J.-C. C.: Die Probleme sind erst in jüngerer Zeit wirklich brisant geworden. Im 17. Jahrhundert umfasste eine große Privatbibliothek maximal dreitausend Bände.
     
    U. E.: Ganz einfach – wiederholen wir es noch einmal –, weil die Bücher unendlich viel teurer waren als heute. Eine Handschrift kostete ein Vermögen. So dass man es manchmal vorzog, ein Buch von Hand abschreiben zu lassen, statt es zu kaufen.
    Ich möchte Ihnen jetzt eine amüsante Geschichte erzählen. Ich habe die Bibliothek von Coimbra in Portugal besichtigt. Die Tische waren mit einem Filztuch bedeckt, ein wenig wie Billardtische. Ich fragte nach dem Grund für diese Schutzmaßnahme. Man antwortete mir, das sei, um die Bücher vor dem Kot der Fledermäuse zu schützen. Warum kann man sie nicht ausrotten? Ganz einfach, weil sie die Würmer fressen, die die Bücher annagen. Gleichzeitig darf der Wurm aber auch nicht vollkommen verdammt und verurteilt werden. Denn der Weg, den er durch die Inkunabeln frisst, lässt erkennen, auf welche Weise die Seiten gebunden waren, ob einige Partien älter sind als andere. Die Würmer zeichnenmanchmal verschlungene Wege, die alten Büchern ihr besonderes Gepräge geben. In Handbüchern für Bibliophile findet man alle nötigen Anweisungen, um sich vor den Würmern zu schützen. Einer der Ratschläge lautet, Zyklon B zu verwenden, derselbe Stoff, den die Nazis in den Gaskammern einsetzten. Sicher ist es besser, wenn man damit Insekten tötet statt Menschen, aber es ist doch irgendwie gruselig.
    Eine andere, weniger barbarische Methode besteht darin, einen Wecker in einer Bibliothek aufzustellen. Allem Anschein nach halten sein regelmäßiges Ticken und die Schwingungen, die er auf das Holz überträgt, die Würmer davon ab, aus ihren Schlupfwinkeln hervorzukommen.
     
    J.-C. C.: Mit anderen Worten, ein Wecker, der einschläfert.
     
    J.-P. DE T.: Der Kontext der Buchreligionen schafft natürlich eine starke Motivation zugunsten des Lesens. Trotzdem ist es nicht weniger wahr, dass die große Mehrheit der Bewohner unseres Planeten fernab von Buchhandlungen und Bibliotheken lebt. Für sie ist das Buch toter Buchstabe.
     
    U. E.: Eine in London durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass ein Viertel der befragten Personen Winston Churchill und Charles Dickens für fiktive Personen hielt, wohingegen sie glaubten, Robin Hood und Sherlock Holmes hätten wirklich gelebt.
     
    J.-C. C.: Die Ignoranz umgibt uns überall, häufig arrogant und offen zur Schau gestellt. Sie macht sogar Proselyten. Sie ist selbstsicher, sie erklärt ihre Herrschaft durch den schmallippigen Mund unserer Politiker. Und das Wissen, zerbrechlich und wandelbar, stets bedroht, im Zweifel an sich selbst,ist sicherlich eines der letzten Refugien der Utopie. Glauben Sie, dass es wirklich wichtig ist zu wissen?
     
    U. E.: Ich glaube, es ist grundlegend.
     
    J.-C. C.: Dass die größtmögliche Zahl von Menschen die größtmögliche Zahl
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