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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Gefühl von Trost und Sicherheit. Es wird Ihnen nie kalt sein in Ihrer Bibliothek. Auf jeden Fall sind Sie da geschützt vor der eisigen Zugluft der Ignoranz.
     
    U. E.: Die Atmosphäre, die in der Bibliothek herrscht, wird auch dazu beitragen, dieses Gefühl von Schutz und Geborgenheit zu schaffen. Die Ausstattung sollte vorzugsweise alt sein. Mit anderen Worten, aus Holz. Die Lampen sollten aussehen wie die in der Bibliothèque nationale, nämlich mit grünen Lampenschirmen. Die Verbindung von Braun undGrün trägt zu dieser besonderen Atmosphäre bei. Die Bibliothek von Toronto, die absolut modern und auf ihre Weise gelungen ist, vermittelt dieses Gefühl von Geborgenheit nicht, genauso wenig wie die Sterling Memorial Library in Yale mit ihrem neogotischen Lesesaal auf mehreren Etagen im Stil des 19. Jahrhunderts. Ich erinnere mich, dass mir die Idee zum Mord in der Bibliothek in Der Name der Rose eben in der Sterling Library in Yale kam. Ich hatte den Eindruck, als ich abends noch im Zwischengeschoss arbeitete, dass mir dort alles Mögliche zustoßen könnte. Es gab keinen Aufzug, um ins Zwischengeschoss zu gelangen, so dass man das Gefühl hatte, dort könne einem niemand mehr zu Hilfe kommen. Man hätte Ihre Leiche unter einem Regal versteckt finden können, erst mehrere Tage nach dem Verbrechen. Es gibt da dieses Gefühl von Schutz, wie es auch Gedenkstätten und Gräber umgibt.
     
    J.-C. C.: Was mich an den großen öffentlichen Bibliotheken immer fasziniert hat, ist dieser kleine grünliche Lichtkegel, der einen hellen Kreis zeichnet, in dessen Mitte sich ein Buch befindet. Sie haben Ihr Buch und sind umgeben von allen Büchern der Welt. Sie haben zugleich das einzelne und das Ganze. Das ist der Grund, weshalb ich die modernen, kalten und anonymen Bibliotheken meide, weil man dort die Bücher nicht mehr sieht. Wir haben völlig vergessen, dass eine Bibliothek schön sein kann.
     
    U. E.: Als ich an meiner Dissertation arbeitete, verbrachte ich viel Zeit in der Bibliothek Sainte-Geneviève in Paris. In dieser Art von Bibliothek fiel es leicht, sich auf Bücher zu konzentrieren, die einen überall umgaben, und Notizen und Exzerpte zu machen. Als die Rank-Xerox-Fotokopiereraufkamen, war das der Anfang vom Ende. Sie konnten das Buch reproduzieren und mitnehmen. Bei Ihnen zu Hause stapelten sich dann die Fotokopien. Und die Tatsache, dass diese in Ihrem Besitz waren, führte dazu, dass Sie sie nicht mehr lasen.
    Mit dem Internet sind wir in derselben Situation. Entweder Sie drucken aus, und dann sehen Sie sich erneut überhäuft von Dokumenten, die Sie nicht lesen werden. Oder Sie lesen Ihren Text am Bildschirm, aber sobald Sie weiterklicken, um in Ihrer Recherche fortzufahren, entschwindet Ihrem Gedächtnis, was Sie gerade gelesen haben und was Sie zu der Seite geführt hat, die eben auf Ihrem Bildschirm erscheint.
     
    J.-C. C.: Ein Punkt, den wir noch nicht angesprochen haben: Warum beschließen wir, ein Buch neben ein anderes zu stellen? Warum verfahren wir nach einem bestimmten Ordnungsprinzip und nicht nach einem anderen? Warum ändere ich plötzlich die Anordnung meiner Bibliothek? Ist es bloß, damit bestimmte Bücher neben andere Bücher zu stehen kommen? Um die Umgebung zu erneuern? Die Nachbarschaft? Ich nehme an, es gibt einen Austausch zwischen ihnen, ich hoffe es, ich möchte das begünstigen. Die unten stehen, stelle ich nach oben, um ihnen wieder etwas mehr Würde zu geben, um sie auf meine Augenhöhe zu heben und sie wissen zu lassen, dass ich sie nicht absichtlich ganz nach unten gestellt habe, weil sie weniger wert und folglich verachtenswert wären.
    Wir sprachen schon davon. Natürlich müssen wir filtern, oder jedenfalls der Filterung, die es mit Sicherheit geben wird, nachhelfen und versuchen zu retten, was unserer Ansicht nach nicht auf der Strecke bleiben darf, was denen gefallenkönnte, die nach uns kommen, auch, was ihnen hilfreich sein könnte oder worüber sie sich auf unsere Kosten amüsieren können. Wir müssen auch Sinn schaffen, wenn wir können, aber behutsam. Wir durchleben eine unsichere Zeit voller Unwägbarkeiten, in der es zweifellos für jeden oberste Pflicht ist, den Austausch zwischen verschiedenen Formen des Wissens, der Erfahrungen, der Standpunkte, der Hoffnungen und Projekte nach Kräften zu fördern. Und sie in Beziehung zu setzen. Das wird vielleicht die erste Aufgabe derer sein, die nach uns kommen. Lévi-Strauss hat von Kulturen gesagt, sie seien nur in dem
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