Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
Vom Netzwerk:
hineingegossen.
    Vater deutete mit dem Kinn zur Lade in der anderen Ecke. »Nimm dir deine Handschuhe.«
    Aurelia schlüpfte eilig in die dicken Lederhandschuhe.
    »Ich hebe nun die Kanne und die beiden Becher heraus. Du tränkst den Schwamm dort im Zuber«, befahl Vater.
    Der Schwamm war eines der wenigen Überbleibsel aus ihrem reichen Besitz in Marseille. Aurelia tauchte ihn in das Wasser, das sehr kalt war. Vater musste vorhin die Magd zum Brunnen geschickt haben, als er Aurelia zum Backen an den Herd befohlen hatte. Sie sammelte ihren Geist.Alles war wichtig
bei den Wandlungen, die Hitze des Feuers war zu beachten, die genaue Menge der Pulver bis aufs Gran galt es einzuhalten. Ja, sogar die Richtung, in der der Alchemicus in den Tiegeln rührte, konnte bedeutsam sein.
    Vater zog die Kanne heraus und hielt sie mit dem linken Arm über dem Trog. Blaugraue Brühe troff herab. Aurelia wrang rasch den Schwamm über Vaters Händen und der Kanne aus.
    »Drücke ihn ganz aus.«
    Das Wasser spülte die Brühe weg, bis die Kanne glänzte.
    »Sie ist silberweiß!«, rief Aurelia aus. Alles, selbst die feinen Gitterzeichnungen in der Kanne und das Bild der Heiligen Barbara auf der Bauchseite, alles war gewandelt.
    »Hast du etwa an meinen Künsten gezweifelt?«
    Unter dem Licht der Öllampe besahen sie sich die Kanne genau. »Das Zinn ist Silber geworden«, hauchte Aurelia.
    Ihr Vater lachte leise. »Was macht dich so sicher,Tochter?«
    Aurelia blickte ihn an. Seine Haut schien ihr glatter als noch vorhin, ein wenig saß wieder ein spöttischer Schalk in seinem Nacken, so wie er das eine Auge zukniff. »Der Glanz ist silbern. Alles ist verwandelt, sogar innen«, sagte sie.
    Er wiegte den Kopf. »Sei die Tochter eines großen Alchemisten, sei Meliorus’ würdige Erbin und schaue hinter die Spiegelungen der eitlen Welt.« Seine Stimme klang auf einmal wie verzweifelt. »Glaube gerade du nicht wie die tumben Leute an den äußeren Schein.«
    Aurelia ließ den Blick über die Kanne in Vaters Hand gleiten. Der Glanz war rein und frisch. Trieb er etwa nur einen Spaß mit ihr? Sie zog die Brauen zusammen.
    »Sieh genauer hin, Tochter. Sei ganz unvoreingenommen.« Er drehte die Kanne vor ihren Augen, hielt sie mit der Öffnung nach unten.
    Nun doch verwirrt sagte Aurelia: »Sie ist makellos.«
    »Gut. Aber was bedeutet das wirklich?« Sein Blick fraß sie
fast auf, so sehr brannte er darauf, dass sie den verborgenen Sinn alleine erkannte.
    Aurelia fühlte ihre Wangen glühen. Sie starrte auf den mondgleichen Glanz der Kanne und vergaß einen Augenblick, wo sie war, fühlte nur eine Schwere im Leib. Dann erfasste sie ein Gefühl, als würde sie ganz leicht. »Wäre sie wirklich gewandelt und wäre alles Zinn zu Silber geworden, dann müsste die Kanne alle Makel der Zinnkanne zeigen.«
    »Heureka!« Er küsste sie auf die Stirn. »Du hast es schon fast ganz verstanden.« Das schwarze Fett glitzerte in seinem spitzen Bart.
    »Die Kanne ist neu überzogen«, sagte Aurelia. Der Bauch der Kanne war ebenso glatt wie ein Fleischkuchen, den man mit Gänsefett bestrichen hatte. »Nur ein Teil des Zinns hat sich gewandelt und liegt wie ein spiegelndes Tuch auf dem alten darunter.«
    »Genauso ist es. Und eben das darf der Zunftmeister der Schriftsetzer nie herausfinden. Dass wir ihm eine versilberte Kanne und keine gediegene schenken.«
    Aurelia griff sich an die Stirn. »Deshalb hast du niemals Teller oder Fleischplatten wandeln wollen, wenn die Kaufleute sie dir aufdrängten.« Denn irgendwann hätten die Messer die Silberschicht durchschnitten und das Zinn darunter wäre sichtbar gewesen.
    »Eine tiefere Wandlung ist nicht möglich.« Ihr Vater stellte die Kanne vor den Athanor auf dem Tisch ab. »Die Brühe hier habe ich nach der Rezeptur des berühmten Hermes Trismestigos bereitet. Sie sorgt dafür, dass das Silber von den Münzen, die ich dazugelegt habe, auf das Zinn übergeht und sich dort anverwandelt.« Er lachte wieder leise. »Ich habe lernen müssen, dass für die meisten Menschen wahrer ist, was sie zu sehen glauben als das, was sie wirklich sehen.« Vorsichtig hob er die beiden Becher aus dem Trog.

    Aurelia beeilte sich mit dem Schwamm und wusch sie mit dem kalten Wasser ab.
    »Als wir noch in Italien über die Landstraßen zogen,Tochter, da war ich es leid, dass sich die Kaufherren, Nonnen und Adelsfrauen nur nach den Giften erkundigten, die ich zu bereiten wüsste. Gifte für die Lust, Gifte dagegen, Gifte für den alten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher